10.-12. Oktober 2008, Harmsdorf/Schleswig-Holstein, Leitung: Dr. Ute Blaschke-Berthold
Hier jetzt erst einmal die Zusammenfassung der praktischen Tips, Bilddokumentation folgt noch, ebenso wie der theoretische Teil, wobei es zu einigen der Übungen konkretes Bildmaterial gibt, das meine Worte sicher ganz gut visualisieren kann. Ich hatte ja, wie immer bei Ute B.-B., die Erlaubnis, zu filmen und zu photographieren, ein Umstand, der mich u.a. immer wieder für sie einnimmt, andere Referenten sehen das bei weitem nicht so locker, siehe Baumann oder Rütter.
Ute B.-B. legt, wie bereits erwähnt, sehr viel wert darauf, a) ohne Zwang zu arbeiten, b) die Atmospäre für den Hund mit Ängsten oder Aggressionen so angenehm und streßfrei wie möglich zu gestalten und c) Hundehaltern deutlich zu machen, daß Angst/Aggression Gefühle sind, die für das Bewußtsein nicht steuerbar sind, was bedeutet: der ängstliche/aggressive Hund steuert sein Verhalten nicht, es wird im Mandelkern, dem emotionalen Zentrum des Gehirns eben einfach ausgelöst, basierend auf genetischen Vorgaben des einzelnen Hundes sowie dessen Erfahrungen mit einzelnen Reizauslösern. Was in der Folge bedeutet: Es geht nicht darum, dem Halter Schuld an falschem Verhalten zu geben, auch nicht darum, dem Hund Schuld in die Pfoten zu schieben, sondern einzig darum, auf verhaltensbiologisch und lerntheoretisch korrekter Basis ein vernünftiges, effektives Training aufzubauen.
Zur Theorie im Detail werde ich einen Extra-Beitrag schreiben, ich denke aber, daß für die hier betroffenen Halter, also diejenigen, die mit ängstlichen oder aus Angst aggressiven Hunden umgehen müssen, die praktische Seite erst einmal wichtiger ist.
Utes Training greift immer auf drei Ebenen an.
Ebene 1: Hunde, die Angst haben, sind oft generell und viel zu hoch erregt. Sie müssen also lernen, insgesamt ruhiger zu werden, ihr Erregungsniveau muß nicht nur situativ, sondern auf Dauer gesenkt werden. Hier zeigt Ute diverse Entspannungsübungen.
a) "Geh auf Deine Decke" Der Hund lernt, auf ein Signal auf einen ihm vertrauten und Sicherheit assoziierenden Platz zu gehen.
b) Entspannung durch Körperkontakt Der Hund wird regelmäßig durch langsame Streichelbewegungen beruhigt, auch T-Touches sind eine gute Möglichkeit.
c) Dehn- und Streckübungen Per Kinntouch wird das gute alte "Jäger-down" geübt, die Betonung liegt jedoch auf dem Vorgang des Kopf zwischen die Pfoten Platzierens selbst, während dessen der Hund seinen Hals strecken muß. Auch kurze, langsame Robb-Bewegungen sind sinnvoll, jedoch nur solange, wie der Hund dabei ruhig ist/bleibt.
Ebene 2: Management Der Hund lernt "Umwege" zu gehen. Management bedeutet, einen Umgang mit einer konkreten Situation zu haben, der den Streß des Hundes nicht auslöst/verstärkt, ihn nicht in das Verhalten bringt, das geändert werden soll. Heißt konkret: Maulkorb für aggressive Hunde, ansonsten große Bögen, Meideverhalten mitgehen/stärken, dem Reiz so gut es geht auszuweichen, während parallel das Training auf Ebene 3 läuft.
Ebene 3: Alternatives Verhalten erlernen Der Hund wird vorsichtig an den Reiz gewöhnt, soll lernen, daß dieser an der Seite der Bezugsperson bewältigt werden kann. Hier betont Ute B.-B. immer wieder, daß es Unsinn ist, davon auszugehen, daß man dem Hund beibringen kann, daß ihm doch nichts Schlimmes passiert, wenn er erst einmal Angst aufgebaut hat. Fakt ist, so sagt sie, daß genau in dem Moment, in dem der Hund Angst HAT schon etwas passiert ist, nämlich die Angst als solche da und für den Hund furchtbar ist. Sie sagt, daß der Hund sie nur dann bewältigen kann, wenn er generell ruhiger, sicherer und entspannter wird, eine rein situative Lösung auf Basis einfach ständiger Wiederholungen immer der gleichen Sachlage, gibt es ihrer Meinung nach nicht.
Daher setzt sie neben dem Entspannungstraining die Methoden "Zeigen und Benennen" sowie "intermediäre Brücke" und "Pendeln auf den Reiz zu" ein.
a) Zeigen und Benennen
Der Hund soll nicht lernen, sich auf den Halter zu konzentrieren, während der Reiz näher kommt oder er sich dem Reiz nähert. Situationen, in denen ein Reiz dann überraschend doch plötzlich hinter ihm auftaucht, könnten ein Angstproblem eher verstärken als lösen, es ist deutlich sinnvoller, den Hund daran zu gewöhnen, den Anblick des Reizes auszuhalten und dafür belohnt zu werden, daß er dies schafft. Daher wird der Hund beim Auftauchen des Reizes nicht abgewendet, sondern sein Blick auf den Reiz gerichtet, der Reiz wird benannt, der Blickkontakt belohnt. Langfristig lernt der Hund, Gruppen an Reizen zu identifizieren (Mensch/Hund/Radfahrer) und positiv zu verknüpfen.
b) Intermediäre Brücke
Der Hund wird in der Annäherung an einen Reiz stimmlich begleitet. Dies verbessert seine Grundstimmung, zeigt ihm, daß er geleitet wird und führt ihn auf eine ersehnte Belohnung hin.
c) Pendeln
Der Hund geht mit Mensch auf den Reizauslöser zu, benutzt dabei die intermediäre Brücke. Der Hund wird aber nicht gezwungen, bis zum Reiz zu gehen, er wird lediglich bis auf ein paar Meter Entfernung herangeführt. Hält er das durch, gibt es einen Klick und das Umkehren weg vom Reiz als Belohnung. Das Weggehen findet aber nicht bis zum Ausgangspunkt statt, sondern endet etwas näher am Reizauslöser als dieser gewesen ist.
Beispiel: Startpunkt: 30 Meter von Reiz weg -> auf den Reiz zugehen -> 20 Meter vor dem Reiz umdrehen, aber nur noch gehen, bis der Reiz vielleicht in 25 Metern Entfernung ist -> erneut auf den Reiz zugehen, bis dieser 15 Meter weit weg ist -> umdrehen, zurückgehen, bis der Reiz noch ca. 20 Meter weit weg ist -> wieder auf den Reiz zugehen, bis auf 10 Meter ran -> umdrehen, bis der Reiz 15 Meter weit weg ist -> usw., bis man auf diese Weise quasi am Reiz vorbeigependelt ist, wobei es einen Jackpot geben kann, wenn dieser tatsächlich passiert ist. Jede Annäherung ist von einer intermediären Brücke begleitet, der Hund wird also per "lalalala" oder "klaklaklaklaklasse" hin geführt, kriegt dann den Klick und das Umdrehen als Belohnung für's Durchhalten. Der Hund hat so mit seinem Angstverhalten in gewissem Rahmen Erfolg, er wird nicht "vergewaltigt", sondern geführt, seinen Möglichkeiten entsprechend.
d) quasi außer Konkurrenz und immer für alles Basis: Marker-Signal
Bestätigungen, die eine Belohnung ankündigen, machen die Belohnung wertvoller. Zudem verschafft ein Marker-Signal dem Halter Zeit. Hunde können A und B (Ursache und Wirkung) nur für ca. drei Sekunden verbinden, liegen sie zeitlich weiter auseinander, verknüpft der Hund sie nicht mehr. Per Marker verdoppelt sich diese Spanne im Sinne von: Verhalten ... drei Sekunden ... Klick/Marker ... drei Sekunden ... Belohnung.
Das ist jetzt der Teil, den ich gerade aus dem Kopf zusammenbringe, der Rest folgt später. :-)))
Viele Grüße Barbara mit Ritter Parcifal, Prince Maddox und Sir Lancelot sowie in ewiger Verbundenheit mit Malibub Athos, Seelenbub Ben, Spitzbub Ilias, Lausbub Seppl und 'dame de coeur' Lupa (G'lupa de la Noire Alliance)
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"Just a generation ago if you went near a dog when he was eating and the dog growled, somebody would say, 'Don't go near the dog when he's eating!, what are you crazy?' Now the dog gets euthanized. Back then, dogs were allowed to say, NO. Dogs are not allowed to say no anymore...They can't get freaked out, they can't be afraid, they can never signal 'I'd rather not.' We don't have any kind of nuance with regard to dogs expressing that they are uncomfortable, afraid, angry, or in pain, worried, or upset. If the dog is anything other than completely sunny and goofy every second, he goes from a nice dog to an 'AGGRESSIVE' dog." (Jean Donaldson)
Ich habe einen ähnlichen Vortrag von Dr. B-B. besucht und ich mag sie sehr als Referentin. Ich habe sie in einem Vortrag zu den chemischen Vorgängen bei Angst gefragt und sie hat mir gesagt, dass ich es gut erklärt habe, darum schreibe ich euch das mal hierhin.
Wenn eine Angstreaktion beim Hund durch ein Geräusch oder eine Situation ausgelöst wird, schüttet der Körper jede Menge Adrenalin aus, dass ist auch sinnvoll, weil in einer echten Situation dadurch das Schmerzempfinden gesenkt und die Durchblutung gefördert wird. Wird jetzt aber das Adrenalin nicht abgebaut, durch mehr Bewegung oder übermäßige körperliche Anstrengung, kommt es zu übermäßigen Angstreaktionen. Beim Menschen beschleunigt sich der Puls bis in beängstigende Geschwindigkeiten, Schwindelgefühle treten auf, auch Wahrnehmungsstörungen treten auf; es ist bei den Hunden vermutlich nicht anders. Solange das Adrenalin nicht abgebaut ist, ist es schwer, den Hund zu konzentrieren, darum ist es gut, den Hund ein bisschen Sport machen zu lassen oder Konzentrationsübungen. Dadurch wird das Adrenalin schneller wieder abgebaut und der Hund wird wieder aufnahmefähig.
Liebe Grüße Sabine
Diskutiere nie mit einem Idioten, er zieht Dich auf sein Niveau herab und schlägt Dich dort mit Erfahrung.
Ich bin zwar nicht Sabine, aber auch Ute B.-B. geschädigt. ;-)
Daher: Geistige Arbeit ja, durch Konzentration auf etwas anderes (und damit auf Ausschüttung anderer Botenschaften), Bewegung nicht unbedingt, nur, wenn langsam und nicht in sich schon wieder "action".
Viele Grüße Barbara mit Ritter Parcifal, Prince Maddox und Sir Lancelot sowie in ewiger Verbundenheit mit Malibub Athos, Seelenbub Ben, Spitzbub Ilias, Lausbub Seppl und 'dame de coeur' Lupa (G'lupa de la Noire Alliance)
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So hab ich mirs gedacht und die ganze Zeit auch gemacht. Schnelle Bewegung ist zum Beruhigen (schon vor ED und HD Diagnose) sowieso sehr ungünstig für den Bubi. Suchspiele sind gut.
Viele Grüsse
Margit
LG Margit mit Archy __________________________________________________________________________________
Es gibt keine andere Wahl, als vorwärts zu gehen. (Fridtjof Nansen)
Ja, genauso ist das gemeint. Man soll den Hund natürlich nicht noch mehr aufputschen, aber ruhiges gehen, vielleicht kombiniert mit Elementen aus dem La-Ko-Ko Konzept von TH. Baumann helfen dem Hund schneller aus der Angst zu kommen. Angst kann man sich wie eine Spirale vorstellen, die ähnlich wie ein Strudel nach unten zieht. Je länger der Hund in der "Spirale" bleibt, umso schlimmer wird die Angst. Deshalb ist es wichtig schon beim ersten Anzeichen zu reagieren.
Liebe Grüße Sabine
Diskutiere nie mit einem Idioten, er zieht Dich auf sein Niveau herab und schlägt Dich dort mit Erfahrung.
Bevor einer fragt: "La-Ko-Ko"-(Elemente) meint eine Methode, die Baumann entwickelt hat und sich hat lizensieren lassen, der Name steht dabei für "Langsamkeit", "Konzentration" und "Koordination", zusammengefaßt würde ich den Ansatz für "alten Wein in neuen Schläuchen" halten. In der Praxis baut Baumann eine Art Parcour, durch den der Hund an Führleine und Halti geführt wird. Dabei wird das Tier durch Impulse auf das Halti a) auf den Halter konzentiert, der jede Hinwendung zum Menschen bestätigt und belohnt, im Ganzen ergibt diese Methode eine gemeinsame Koordination von Hund und Halter. Andere Trainer nennen so etwas Shaping, Degility oder sonstwie, man muß dem Kind nur ein neues Gewand verpassen, dann kann man für den Erwerb der Lizenz zum La-Ko-Ko-Trainer 1200 Euro (kostet das Recht sich so zu nennen) plus 900 Euro jährlich (kostet das Recht, sich auch weiter so nennen zu dürfen) plus ca. 600 Euro (kostet die Möglichkeit, sich das Recht, sich so zu nennen, zu erwerben) verlangen und findet genug ..., die genau diese Summe(n) ausgeben, weil ja "Baumann" draufsteht, und das ist doch schon mal was, oder? ;-)
Viele Grüße Barbara mit Ritter Parcifal, Prince Maddox und Sir Lancelot sowie in ewiger Verbundenheit mit Malibub Athos, Seelenbub Ben, Spitzbub Ilias, Lausbub Seppl und 'dame de coeur' Lupa (G'lupa de la Noire Alliance)
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"Just a generation ago if you went near a dog when he was eating and the dog growled, somebody would say, 'Don't go near the dog when he's eating!, what are you crazy?' Now the dog gets euthanized. Back then, dogs were allowed to say, NO. Dogs are not allowed to say no anymore...They can't get freaked out, they can't be afraid, they can never signal 'I'd rather not.' We don't have any kind of nuance with regard to dogs expressing that they are uncomfortable, afraid, angry, or in pain, worried, or upset. If the dog is anything other than completely sunny and goofy every second, he goes from a nice dog to an 'AGGRESSIVE' dog." (Jean Donaldson)
Hallo Elektra, oh Du meine Güte, dass wusste ich gar nicht, dass La-Ko-Ko so teuer ist, vielleicht sollte ich meinen Beitrag editieren, bevor ich dafür bezahlen muss, dass Wort nieder geschrieben zu haben *ironiewiederaus* (bin bekennender Hasser der Kohlescheffler) Aber ernsthaft, ich wollte nur verdeutlichen, was ich zum "runter bringen" des Hundes im Erregungszustand schrieb. Das ******* hat fast jeder schon mal gehört, darum nahm ich es als Beispiel.
Liebe Grüße Sabine
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