Bleibt aber die Frage, Uschi, warum die "Gewohnheitstiere" so unterschiedlich auf Veränderungen reagieren.
Frustrationstoleranz? Hmmm, vielleicht.
Oder vielleicht allgemeines Sicherheitsgefühl, das auch durch Veränderungen nicht "erschüttert" werden kann. Das würde dann bedeuten, daß sich die Reaktion verändern / verbessern kann, je "sicherer" sich der Hund fühlt.
Oder auch einfach eine Charakterfrage, die nicht veränderbar ist. Es gibt ja auch Menschen, die im Chaos glücklich sind und andere, die ständige Unruhe im Alltag nervös macht.
Oder vielleicht auch eine Mischung aus allem......
Petra mit Mogli und dem Schäfchen im Herzen ------------------------ Der ist nicht klein, der ist ein Hundekonzentrat. :o)
Zitat von Mydog im Beitrag #16Bleibt aber die Frage, Uschi, warum die "Gewohnheitstiere" so unterschiedlich auf Veränderungen reagieren.
Frustrationstoleranz? Hmmm, vielleicht.
Oder vielleicht allgemeines Sicherheitsgefühl, das auch durch Veränderungen nicht "erschüttert" werden kann. Das würde dann bedeuten, daß sich die Reaktion verändern / verbessern kann, je "sicherer" sich der Hund fühlt.
Oder auch einfach eine Charakterfrage, die nicht veränderbar ist. Es gibt ja auch Menschen, die im Chaos glücklich sind und andere, die ständige Unruhe im Alltag nervös macht.
Oder vielleicht auch eine Mischung aus allem......
genau, ich denke da jeder Hund ein Unikat ist reagiert er auch individuell
Interessant, die Beschreibungen unterschiedlicher Hundecharaktere, die über diese Frage zusammengetragen werden
Die Hunde orientieren sich ganz stark an unseren Rhythmen, aber wie sie damit umgehen ist anscheinend dennoch sehr individuell.
Meine Drei z.b. sind Kummer gewöhnt, denn mein Tagesablauf ist jeden Tag anders. Schon mit ein paar Ähnlichkeiten, z.B. bin ich nicht unbedingt ein Frühaufsteher. Aber den großen Spaziergang gibt es mal nachmittags, mal abends, und wenn ich doch mal früh rauskomme und Zeit hab, auch mal morgens. Aber wenn ich doch mal um 5.00 raus muss, sind sie auch da und wach und aktiv. Ist auch gut so, denn Rettungshundeeinsätze gibts zu allen möglichen und unmöglichen Zeiten. Auch sonstige Aktivitäten sind nicht regelmäßig. Mal ist Hundetraining nachmittags (Agi, VPG), mal abends oder morgens (RH); mal mittags (clickern) . Nur meine Arbeitszeiten vormittags und spätnachmittags, das sind einigermaßen Fixpunkte. Ich schaff das nicht, meinen Hunden wirklich einen geregelten Tagesablauf zu bieten. Abendessen gibts, wenn wir abends heimkommen und keine Hundeaktivität mehr zu erwarten ist. Das kann im Winter 19.00 Uhr sein, jetzt eher irgendwas zwischen 22.00 und 1.00 Uhr.
Dennoch gibt es ein paar wenige Auffälligkeiten, z.B. am Arbeitsplatz: Wenn ich arbeite, sind die Hunde im Nebenraum und völlig unauffälig. Bei mir gehen den ganzen Tag über Leute aus und ein. Da muksen sie sich nicht. Ich bleib oft auch noch länger danach, Schreibtischarbeit machen. Das heißt also für die Hunde nicht: Publikumsverkehr zu Ende, jetzt Hundezeit - nein, sie müssen da oft noch ganz schön Geduld haben, bis Frauchen Zeit für sie hat. Dennoch kennen sie genau die Zeiten, wann Leute kommen "dürfen". Kommt jemand außer der Reihe, besinnen sie sich auf ihre Aufgabe als Hauswächter, und es wird Rabatz gemacht!
Bruno war der einzige, der mich abends drauf aufmerksam gemacht hat, dass man seiner Meinung nach jetzt Fütterungszeit abhalten könnte. Sooo reizend hat er das gemacht: den Kunststoffnapf am Rand gefaßt, vor seinem Latz runterhängen lassen, und sich damit mit großen bittenden Augen vor mich hingesetzt . Hab ich ihn verständnislos angeschaut (dummes, dummes Frauchen ), dann konnte er aus tiefster Seele einen Seufzer von sich geben. Dem konnte ich niemals wiederstehen . Leider hab ich irgendwann auf Edelstahlnäpfe umgestellt, damit hat er es nie mehr gemacht.
Fero hat eine Art, auf der Arbeitsstelle drauf aufmerksam zu machen, dass kein Wasser mehr in dem dort sehr kleinen Napf ist: er scharrt und schiebt ihn lautstark über die Fliesen, so dass Frauchen gern aufsteht und das abstellt.
Jounika wiederum hat ihre ganz eigene Variante, zu sagen dass sie nach draußen will: sie macht sich die Tür auf und geht. Manchmal entscheidet sie so auch, den Garten zu verlassen. Da das Türchen abgesperrt ist, springt sie kurzerhand über den 1.20m hohen Zaun. (Macht bei ihr zum Glück nichts, weil sie ja lammfromm ist zu Allem, und sie geht auch nicht weg, wartet einfach vor der Tür. )
Interessant für mich ist, dass jede dieser Verhaltensweisen nur vom jeweils beschriebenen Hund gezeigt wird. Die Anderen sehen das, aber machen es nicht nach!
Unser Einstein hatte die Rituale erst gegen Ende seines Lebens. Wir gehen in der Woche so um 22.00 die letzte kleine Runde und danach ins Bett. Nachdem Einstein den Sprung ins Bett nicht mehr schaffte gewöhnte er sich an auf die Couch umzuziehen wenn wir ins Bett gingen. Nicht dass er vorher nicht auf der Couch war... Am Wochenende stand er dann spätestens um 22.30h maulend vor dem Sofa. Wir haben ein großes Ecksofa wo spielend 2 Menschen und 2 Hunde drauf passen. ABER es musste Herrchens Platz sein und der hatte gefälligst aufzustehen. Wenn mein Göga sich umgesetzt hatte war Ruhe sonst kam er im viertelstündlichen Abstand wieder und erklärte uns die Schlafenszeit.
Wenn spätestens um 20.00h nicht Hundeessen serviert war gabs auch immer Bescheid.
Bei Kinsha ist es ein Ritual geworden dass sie nach dem Schlafengehen in der Mitte zwischen uns liegt und spielerisch meine Bettdecke verkloppt. Dazu muss ich meine Hand unter der Decke hin- und herbewegen. Dabei stößt Kinsha dann eine Mischung von Knurr-und-Schnurrlauten aus, hört sich total lustig an. Und sie strahlt uns dabei an.
Wenn ich morgens aufstehe, bekommt er als erstes seine Schilddrüsentablette. Also schaut er mich an, wenn ich wieder ins Schlafzimmer komme, leckt sich die Schnauze und sperrt schon mal den Schnabel auf.
Ich frühstücke morgens in einem Sessel sitzend und er bekommt immer etwas ab. Also läuft er immer schon mal vor mir her, wenn ich mit dem Brot aus der Küche komme und setzt sich neben den Sessel.
Abends nach der letzten Runde gibt es ein Betthupferl. Also läuft er sofort wenn wir wieder reinkommen in die Küche zu den Leckerligläsern.
Am Wochenende gehe ich nach der Morgenrunde zu meinem Vater in die Wohnung und frühstücke mit ihm. Also läuft Mogli nach der Morgenrunde immer auf diese Türe zu und nicht die Treppe hoch zu unserer Wohnung. Gehe ich dann trotzdem zuerst rauf, weil mein Vater z.B. noch nicht wach ist, springt er immer wenn ich mich in der Wohnung bewege zur Tür weil er erwartet, daß es noch runter geht.
Dort, und nur dort, sitzt er beim Frühstück auf meinem Schoß. Also steht er sofort zum Sprung bereit neben mir, sobald ich mich an den Tisch setze, springt manchmal schneller hoch als ich damit rechne und fällt fast auf der anderen Seite wieder runter. Macht er nicht, wenn wir uns oben an den Tisch setzen.
Hihi, ich merke gerade, fast alle Rituale haben etwas mit Fressen zu tun.
Aber für alle gilt, wenn sie nicht eingehalten werden, dann eben nicht. Er wartet kurz, geht aber dann zur Tagesordnung über.
Petra mit Mogli und dem Schäfchen im Herzen ------------------------ Der ist nicht klein, der ist ein Hundekonzentrat. :o)
Zitat von Mydog im Beitrag #10Und was sagt es dann aus, daß einige Hunde wie Rocky und Pino z.B. auf Veränderungen von Ritualen so verunsichert reagieren und andere nicht?
Mehrerlei. Zum einen sagt es natürlich etwas über die individuelle Veranlagung, aber auch Erfahrung des Hundes aus. Das ist wie bei uns Menschen auch. Unsichere Menschen benötigen deutlich mehr "Korsetts", mehr Anleitung, mehr Hilfen, an denen sie sich entlanghangeln können. Gleiches gilt für Menschen mit Behinderungen und nicht selten für Menschen, die eher bildungsfernen Schichten angehören. Auch Menschen in sozialen Notlagen haben oft gerade an solchen Strukturen einen Mangeln.
Das heißt, auf unsere Hunde übertragen: Ein unsicherer Hund wie Pino oder Skip braucht Rituale deutlich stärker, sie geben Halt. Ein sicherer Hund wie Ben braucht als Kontante seinen Menschen, aber nicht unbedingt zeitlich festgefügte Strukturen. Bei Ben heißt es: Hauptsache Leckerchen, egal, wann. "Einfordern" tut er umgekehrt immer und alles, wann und wie es ihm gerade einfällt. :-)))
Zum zweiten sagt es möglicherweise etwas über die Genauigkeit und Häufigkeit der Rituale aus. Das heißt: Ein Hund, der nur wenige Rituale hat, wird wahrscheinlich leichter "abweichen" können als einer, dessen ganzer Tagesablauf durchstrukturiert und immer gleich ist. Das hat einfach damit zu tun, daß Konditionierungen nun einmal besser funktionieren, wenn sie besonders häufig geübt werden bzw. wenn viele Anteile konditioniert werden/sind. Das ist ein bißchen wie beim Shapen: Ein Hund, der das nicht kennt, wird nichts anbieten, einer, der viel geshapt wird, viel.
Zum dritten sagt es etwas über die individuelle Lerngeschwindigkeit des Hundes aus. Ein junger Hund, der Rituale schnell verinnerlicht, lernt vielleicht einfach schneller als ein älterer, der Rituale auch von früher nicht kennt.
Zum vierten geht es natürlich auch um Motivation. Das heißt: Ein Hund ist leichter zu konditionieren, wenn es bei den Ritualen um etwas für ihn wichtiges geht, z.B. eben um Futter oder Spielzeug. Anderers, was für ihn vielleicht nicht so schön ist, wie z.B., wenn man das machen würde, einmal die Woche zur gleichen Zeit zum Tierarzt fahren o.ä., würde er eher negativ verknüpfen und zu der bekannten Zeit möglicherweise nicht aus dem Körbchen hochwollen. ;-)
Konkret: Marikes Tagesablauf z.B. ist sehr stark durchstrukturiert und hat eine relativ große Zahl von Fixpunkten. Pino ist ein junger Hund, der an diesen Abläufen starken Anteil hat. Und er ist ein unsicherer Hund, der sich gerne Strukturen geben läßt. Daher ist er für Rituale viel empfänglicher als z.B. Lupa, für die der Tag wenig Fixpunkte hat, weil bei uns viel und häufig fast alles wechselt, nicht einmal die Futterzeiten sind immer gleich. Dazu kommt, daß Lupa ein tendentiell sicherer Hund ist, der dazu noch sehr führerbezogen ist, der also als "Halt" eigentlich "nur" seinen Menschen braucht.
So entsteht, daß Pino ein Gewohnheitstier ist und Lupa eben nicht. ;-)
Viele Grüße Barbara mit Ritter Parcifal, Prince Maddox und Sir Lancelot sowie in ewiger Verbundenheit mit Malibub Athos, Seelenbub Ben, Spitzbub Ilias, Lausbub Seppl und 'dame de coeur' Lupa (G'lupa de la Noire Alliance)
----
"Just a generation ago if you went near a dog when he was eating and the dog growled, somebody would say, 'Don't go near the dog when he's eating!, what are you crazy?' Now the dog gets euthanized. Back then, dogs were allowed to say, NO. Dogs are not allowed to say no anymore...They can't get freaked out, they can't be afraid, they can never signal 'I'd rather not.' We don't have any kind of nuance with regard to dogs expressing that they are uncomfortable, afraid, angry, or in pain, worried, or upset. If the dog is anything other than completely sunny and goofy every second, he goes from a nice dog to an 'AGGRESSIVE' dog." (Jean Donaldson)
Unser Tag hat ja auf den ersten Blick gar keine Fixpunkte, wenn man mal davon absieht, dass wir täglich zwischen 6 und 9h aufstehen und zwischen 23 und 2h ins Bett gehen. Es gibt zwar z.B. den Trend, dass es morgens eine große Gassirunde gibt, nachmittags eine kleinere und abends direkt vor dem ins Bett gehen eine kleine Pinkelrunde - aber oft genug variiert auch das stark. Feste Futterzeiten gibt's auch nicht (naja, Rocky hat eigentlich immer Futterzeit ): wegen seinen Verdauungsproblemen bekommt er 4-5 Mahlzeiten am Tag und die werden verteilt, wie's grad zu den sonstigen Aktivitäten passt.
Und trotz des Chaos entdeckt der Bub Rituale in unserem Tagesablauf - gewissermaßen "wenn-dann-Strukturen": wenn wir da und da sind und das und das machen, dann läuft das so und so ab; wenn der und der da und da ist, dann machen wir das und das... Es wird also ganz deutlich, dass er offensichtlich in Puzzlestückchen denkt, die für ihn kein großes Ganzes ergeben. Und ich denke, darin zeigt sich auch der wichtigste Grund, neben einem grundsätzlich eher unsicheren Charakter, warum Rocky so sensibel auf solche Veränderungen reagiert: er konnte ja gar nicht bzw. nur für sehr wenige Situationen lernen, dass sie ganz unterschiedlich auftreten können und hatte dadurch auch keine Chance zum Generalisieren. Und so nimmt er jetzt jede Situation die nur geringfügig von einer ihm schon bekannten abweicht, als neu wahr und reagiert entsprechend verunsichert. Ob es irgendwann "klick" macht und er die Puzzleteilchen zusammensetzen kann oder ob er vielleicht doch unter einem richtigen Deprivationssyndrom leidet, in folge dessen manche Verbindungen einfach niemals "geschaltet" werden können, wird sich zeigen.
Was meiner Meinung nach auch noch eine Rolle spielt, ist eine gewisse Rassedisposition: Hunde die, wie selbständige Hüter, jobbedingt Situationen schnell in "richtig" oder "falsch" einsortieren können müssen und sie richtigstellen, wenn sie falsch laufen, werden da auch im Alltag mehr dazu neigen als andere. Und das ist dann wohl auch der Grund, warum Rocky bellt: er will aufmerksam machen, dass was falsch läuft und dadurch die Richtigstellung erreichen. Klingt jetzt wieder ein bisschen nach "Fordern" - man könnte aber auch einfach sagen, er arbeitet
___________________ Liebe Grüße Liese mit dem kleinen Tiger Arco und dem riesen Tigerbaby Django sowie mit Herrn Rocky Fuchs, dem großen Tiger, Fräulein Spunky und Hägar Scholli im Herzen
"Ein Leben ohne Fuchs ist möglich, aber sinnlos." :-)
Danke euch für die vielen, super interessanten Antworten! Wirklich spannend wie unterschiedlich es bei den Einzelnen ist. Ich würde mich auch sehr über noch mehr Beispiele freuen.
Pino fordert Rituale bzw. bestimmte Tagesstrukturen noch gar nicht so lange ein. Ich schätze, seit etwa einem halben Jahr und in letzter Zeit hat es sich eben noch verstärkt. Sprich, obwohl er eher sicherer wird, verstärkt sich diese Eigenschaft von ihm. Bei uns gibt es im Grunde 4 Varianten, wie der Tag abläuft. Entweder Andre muss arbeiten und ich nicht, Andre muss arbeiten und ich muss auch in den Dienst und dann die Wochenenden, wenn Andre frei hat und ich eben auch oder nicht. Alle vier sind für ihn absolut ok und er ist entspannt.
Mir fällt gerade auf, warum es sich vermutlich verstärkt und früher nicht so war. Wir haben früher sehr darauf geachtet, dass Pino nicht die Weltherrschaft an sich reißt und sind auf forderndes Verhalten fast grundsätzlich nicht eingegangen. Das hört und liest man doch überall, dass man niemals einem fiependem Hund nachgeben darf, weil sich das Verhalten dann verstärkt. Durch das Umdenken haben wir darauf nicht mehr geachtet. Stattdessen läuft es jetzt tatsächlich oft so, dass Pino immer massiver nervt und man dann, auch wenn man grad eigentlich nicht will, doch nachgibt, damit er endlich zufrieden ist. Also liegt bei uns wohl vorwiegend der Fall der klassischen Konditionierung vor. Wobei es sicherlich gar nicht soweit gekommen wäre, wenn Pino aufgrund seiner Unsicherheit nicht die Strukturen so nötig hätte.
Er fordert übrigens meistens nicht durchgehend so penetrant. Oft ist es wie bei Mogli. Also Pino liegt, springt aber sofort auf, wenn jemand aufsteht und er eigentlich etwas erwartet. Im Grunde ist es, denke ich, noch im Rahmen und wir kommen gut damit zurecht. Extrem war es nur im Urlaub, weil er durch das Durcheinander, aus seiner Sicht, so ruhelos war.
Ach ja und ich wollte noch sagen, dass "fordern" für mich nicht negativ belegt ist und ich es deshalb guten Gewissens in diesem Kontext nutzen kann.