Ilka hat mich in meinem Tagebuch auf ein Thema gebracht, was ich immer schon ansprechen wollte:
Kann ein Hund durch Ablenkung lernen?
Bei der "klassischen Konditionierung"/"Gegenkonditionierung" füttere ich meinen Hund unkontrolliert. Frei nach dem Motto: rein, was reingeht - Hauptsache das Gegenüber hat ein tolles Etikett.
Nun möchte ich meinem Hund aber ein bestimmtes Verhalten beibringen. Ich spreche von "operanter Konditionierung".
Z.B.: Der Hund soll bei Hundebegegnungen sitzen und mich anschauen - das soll er lernen. Wenn ich den Hund dabei dauernd füttern würde, dann würde ich natürlich klassisch konditionieren. Aber würde er dann auch das Sitzen bei Hundebegegnungen lernen? Ich meine nein, er würde nur dem Futter folgen.
Die Konsequenz wäre: Er muss sitzen, ohne dass er Futter sieht. Wenn er sitzt (auch wenn es zunächst nur 1 Sekunde ist), dann kommt der Click und dann erst der Griff in die Futtertasche. Die Zeitdauer zum Click wird dann weiter ausgedehnt und der Hund lernt immer länger zu sitzen.
Eine ständige Futtererwartung erleichtert dem Hund jedoch die Situation. Auch für uns Menschen ist es einfacher, da ein sinnvoller Abstand zum Reizauslöser nicht immer einfach umsetzbar ist. Auch ich neige dazu, in diesen Situationen immer die Hand in der Futtertasche zu haben.
Ich denke wirklich, dass die Frage ist wie weit der Hund in der gegebenen Situation ist.
Klar ist das Ziel, dass ich meine Hunde einfach nur absetze und nicht füttere, oder halt einfach an anderen Hunden vorbei gehe.
Wenn Jogger oder Fahrradfahrer an uns vorbeikommen, wird nur abgesetzt und sie sollen mich anschauen. Tun die beiden es nicht (gerade für Soxi noch ein großes Problem, sie kennt es ja noch nicht) mache ich sie wieder auf mich aufmerksam, jedoch ohne Futter.
Aber wenn es sich im Hundebegegnungen geht, wo ich schon vorher weiß es könnte schwierig werden denke ich sollte die Ablenkung goß sein, um einen "Rückfall" absolut zu vermeiden. Denn jeder Rückfall ist einer, und ich gebe meinen Standpunkt auf, das will ich absolut nicht!!!
LG von Ilka mit Aimie und Soxi
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Heute ist das Morgen über das du dir gestern Sorgen gemacht hast.
Ich denke, Du wirfst da etwas durcheinander. Bei Dir klingt es, als ob Gegenkonditionierung und Ablenkung das Gleiche wäre. Das ist es nicht. Zudem scheinst Du zu meinen, operante und klassische Konditionierung schlössen einander aus. Das tun sie nicht.
Ich denke, wir müssen zunächst drei Axiome setzen.
1) Hundliches Verhalten ist immer logisch, es dient immer einem Zweck, den der Hund aus seiner Sicht nicht anders erreichen kann als durch ebenjenes Verhalten. Daraus folgt, daß dieses Verhalten zwar aus unserer Sicht unerwünscht ist, wir jedoch nur einen Weg haben, es abzustellen. Wir MÜSSEN dem Hund ein alternatives Verhalten möglich machen und zwar so, daß es aus seiner Sicht die gleichen Erfolge erzielt wie das bisher von ihm gezeigte. Kategorien von "artig" oder gut oder schlecht erzogen, sind dabei hinderlich, wir müssen uns einzig an den Hunden und ihrer Motivation orientieren.
2) Es geht nicht ohne Gehorsam, aber auch nicht nur über denselben. Wir müssen klug sein und auf alles zurückgreifen, was die Verhaltensbiologie anbietet und IMMER schauen, was für den einzelnen Hund geht und was nicht. Ein Beispiel: Der eine Hund kann besser stehen/sitzen/liegen, wenn der Artgenosse vorbeigeht, für den anderen ist es leichter, selbst in Bewegung zu sein, wenn es zu einer Begegnung kommt.
3) Mein Ziel ist es NIE, Bestätigung und Belohnung überflüssig zu machen. Meiner Meinung nach sollte es ein Lebensprinzip sein, den Hund zu führen, über richtig und falsch stets fair zu informieren und mit Freude zu belohnen.
Was ich generell nicht möchte, ist meinen Hund abzulenken. Dabei lernt er nichts, und im schlimmsten Fall wird er von einem Reizauslöser überrascht, von dem ich abgelenkt hatte, was zu Kurzschlußreaktionen führen kann, wenn das, von dem man ablenkte, urplötzlich doch und dann ganz nah, vor einem steht.
In Blickkontakte zu clickern und zu füttern, halte ich aber für wichtig, eben um alte Etiketten neu zu beschriften. Allerdings agiere ich da auch flexibel und baue, wenn möglich, Gehorsam und dessen Belohnung, also operante Konditionierung, mit ein, ebenso wie Belohnungen variieren und auch das Hundeführerverhalten an den Kontext flexibel angepaßt wird und manchmal in Bruchteilen von Sekunden angepaßt werden muß, damit der Hund sich an dessen Seite sicher und so geführt fühlt, daß er das von uns gewünschte Verhalten überhaupt zeigen KANN.
Viele Grüße Barbara mit Ritter Parcifal, Prince Maddox und Sir Lancelot sowie in ewiger Verbundenheit mit Malibub Athos, Seelenbub Ben, Spitzbub Ilias, Lausbub Seppl und 'dame de coeur' Lupa (G'lupa de la Noire Alliance)
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"Just a generation ago if you went near a dog when he was eating and the dog growled, somebody would say, 'Don't go near the dog when he's eating!, what are you crazy?' Now the dog gets euthanized. Back then, dogs were allowed to say, NO. Dogs are not allowed to say no anymore...They can't get freaked out, they can't be afraid, they can never signal 'I'd rather not.' We don't have any kind of nuance with regard to dogs expressing that they are uncomfortable, afraid, angry, or in pain, worried, or upset. If the dog is anything other than completely sunny and goofy every second, he goes from a nice dog to an 'AGGRESSIVE' dog." (Jean Donaldson)
Vielleicht gehört diese Sequenz auch nach oben, denn erklärt hast du ja schon allerhand und auch verständlich. Dankeschön!
Ich mache auch immer die Fehler, Ablenken, Umkehr, wenn möglich mit Leckerli und "Schau" arbeiten.
Bei uns ist es aber so, wie du es beschreibst, plötzlich ist der Hund, für mich nicht sichtbar, auf dem Balkon seines Zuhauses und Joschi riecht oder hört seinen Lieblingsfeind, oder dieser bellt auch sehr intensiv. Schon ist alles wieder vergebens. Also diese Situation ist genau diese, die du erkläst!
Zitat Was ich generell nicht möchte, ist meinen Hund abzulenken. Dabei lernt er nichts, und im schlimmsten Fall wird er von einem Reizauslöser überrascht, von dem ich abgelenkt hatte, was zu Kurzschlußreaktionen führen kann, wenn das, von dem man ablenkte, urplötzlich doch und dann ganz nah, vor einem steht.
Es passiert in dieser Situation nichts gefährliches, aber das Bellen, die Aufregung, der Reizauslöser, alles ist auf einmal kurz vor unserer Haustür wieder da.
Der Hund und seine Motivation, nicht immer leicht verständlich für mich.
Kika, ich kann Joschi mit " renne- renne " ablenken, das macht er gern mit mir, auch an der Leine. Aber eben im oben beschriebenen Fall bin ich auch machtlos. Da hilft auch kein Leckerli.
Tschüssi Ille und Joschi für immer im Herzen
************************ Ich kann meinem Hund nicht so viel Gutes tun, wie er mir selbst guttut! Ille
Zitat Was ich generell nicht möchte, ist meinen Hund abzulenken. Dabei lernt er nichts, und im schlimmsten Fall wird er von einem Reizauslöser überrascht, von dem ich abgelenkt hatte, was zu Kurzschlußreaktionen führen kann, wenn das, von dem man ablenkte, urplötzlich doch und dann ganz nah, vor einem steht.
Situation (kürzlich so erlebt): Uns kommt ein Hund entgegen, der Weg ist nur 1,5 Meter breit. Ich kann seitlich nicht ausweichen, links ist ein Abhang (für mich zu steil) wo es zu einem Bach geht und rechts Brombeergestrüpp. Ich möchte zurückgehen, aber da kommt auch ein Hund. Ich WEISS, dass Nils mir total ausrastet, wenn die Hunde an uns vorbeigehen, also gehe ich mit den Hunden so weit zur Seite wie es geht. Lumpi und Mo lasse ich absetzen und fordere Blickkontakt ein. Dafür bekommen sie ein Leckerchen und sie können den Hund passieren lassen. Nils jedoch stopfe ich mit Leckerchen geradezu voll, unter Dauerclickern. So kann der Hund vorbeigehen, ohne dass Nils ausrastet. Ist das Ablenken? Oder lernt er dabei noch? Ist das ok, das so zu machen? Die Alternative wäre ein Vollausraster gewesen.
Viele liebe Grüße Frau T.mit Lumpi,Mo undNils __________________________________________________________________________
Ich freue mich, wenn es regnet. Denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch. Karl Valentin
Sicher ist das so okay. MAL ist ein Ablenken okay, es gibt auch Hunde, die WOLLEN lieber auf den Halter schauen, auch das lasse ich dann zu, bin dann nur noch mehr in der Pflicht, plötzliche "Überfälle" dann auch wirklich zu verhindern.
@Ille Der letzte Satz war aus dem ersten Entwurf, seltsamerweise ließ mich das Iphone ihn aber nicht mehr löschen. Das habe ich am großen PC jetzt nachgeholt.
Noch ein Wort zu Deinem Beitrag, weil er auch Frau T.s Schilderung betrifft. Ablenken und Distanz aufbauen ist ebenfalls nicht das Gleiche. Ablenken heißt nur, den Hund anderweitig zu beschäftigen, so daß er den Artgenossen nicht anschaut. Distanz aufbauen hingegen ist der Aufbau einer Verhaltensstrategie, nämlich dem Hund zu zeigen, daß auch an der Leine, die das Meiden ja normalerweise verhindert, weil die Hunde an uns gebunden sind, eben dieses Meiden möglich und sogar erwünscht ist. Bei manchen Hunden kann das Aufbauen von Distanz sogar eine riesige Belohnung sein, auch das setze ich gelegentlich ein. Wie gesagt, es kommt immer auf Hund und Halter an, man muß immer gucken, was am besten paßt/funktioniert.
Viele Grüße Barbara mit Ritter Parcifal, Prince Maddox und Sir Lancelot sowie in ewiger Verbundenheit mit Malibub Athos, Seelenbub Ben, Spitzbub Ilias, Lausbub Seppl und 'dame de coeur' Lupa (G'lupa de la Noire Alliance)
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"Just a generation ago if you went near a dog when he was eating and the dog growled, somebody would say, 'Don't go near the dog when he's eating!, what are you crazy?' Now the dog gets euthanized. Back then, dogs were allowed to say, NO. Dogs are not allowed to say no anymore...They can't get freaked out, they can't be afraid, they can never signal 'I'd rather not.' We don't have any kind of nuance with regard to dogs expressing that they are uncomfortable, afraid, angry, or in pain, worried, or upset. If the dog is anything other than completely sunny and goofy every second, he goes from a nice dog to an 'AGGRESSIVE' dog." (Jean Donaldson)
Zitat von Elektra Was ich generell nicht möchte, ist meinen Hund abzulenken. Dabei lernt er nichts
Das ist die Antwort auf meine Frage. Es ist ein Notfall-Management, so wie Frau T. und Ilka es beschreiben. Wenn mein Hund dabei etwas lernen soll, dann muss ich also auf "Ablenkung" und "Locken" verzichten. Daraus folgt:
Zitat von KikaEr muss sitzen, ohne dass er Futter sieht, [...] dann kommt der Click und dann erst der Griff in die Futtertasche.
Ich glaube, dass es gut ist, sich das bewusst zu machen.....
Ja, ist es. Aber: Denke auch daran, daß es manchmal sein kann, daß ich das Locken (fast nie die Ablenkung) benutzen kann und auch benutzen sollte, um den Hund zu öffnen, um ihm zu Beginn zu helfen. Und: Denke daran, daß ein Hund nur auf Signal sitzen kann, wenn er wirklich KANN. Das heißt, es obliegt Dir, Signale einerseits nur zu geben, wenn der Hund tatsächlich in der Lage ist, es auszuführen, andererseits aber auch nicht zu übervorsichtig zu sein und auf Signale zu oft zu verzichten oder Dich auch mal etwas näher ranzutrauen. Es ist dann ebenfalls wichtig, zu sehen/zu fühlen, wenn es für den Hund an Deiner Seite zu eng wird und dann Distanz aufzubauen, umgekehrt mußt Du sehen/fühlen können, wann Du ihn auch mal fordern solltest und eben nicht immer gleich den Fluchtweg einläutest, weil der Hund dann die manchmal leider nötige Enge nie lernen kann.
Du siehst: SO einfach ist es mal wieder nicht. :-))))
Viele Grüße Barbara mit Ritter Parcifal, Prince Maddox und Sir Lancelot sowie in ewiger Verbundenheit mit Malibub Athos, Seelenbub Ben, Spitzbub Ilias, Lausbub Seppl und 'dame de coeur' Lupa (G'lupa de la Noire Alliance)
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Herzlichst, Bara mit Forumself Loki [url=http://www.smilies.4-user.de][img]http://www.smilies.4-user.de/include/Tiere/smilie_tier_118.gif[/img][/url]
[small]Tiere sind die besten Freunde.
Sie stellen keine Fragen und kritisieren nicht.
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