Der Vollständigkeit halber, obwohl ich es eigentlich schon geschildert hatte, der zweite Tag bzw. vor allem der zweite Praxisteil. Zentral war für mich die Erfahrung, wie stark es auf das Zusammensein der Hunde wirken kann, wenn sie entspannt werden, wenn das Erregungsniveau gesenkt wird und auch die Menschen ruhig sind und sich langsam bewegen. Immer noch ist diese Stimmung ein stückweit in mir, die einfach dadurch entstand, daß die Referentin nicht auf Biegen und Brechen weiter "Konfrontation übte", sondern nach dem ersten Streß "zurückschraubte". Ich wünsche wirklich jedem von Euch eine so phantastische gemeinschaftliche Erfahrung, besonders Hunden wie Jacky und Haltern wie Verena, die dauernd damit kämpfen müssen, daß die Hunde, der eigene und oft auch das Gegenüber, viel zu "hochgekocht" sind.
Ich meine, immerhin waren am Ende sechs Hunde und sechs Menschen auf einer Fläche versammelt, die wohl keine 20 qm groß war. Und alles war und blieb friedlich, einfach, weil wir Menschen diese Stimmung verbreiteten und auf die Tiere übertrugen. Ich kann mir vorstellen bzw. glaube auch fest daran, daß selbst ein so leicht gestreßter Hund wie Jacky eine solche Situation nicht nur bewältigen, sondern letztlich auch genießen könnte. Gerade an Euch beide habe ich in den letzten Tagen viel gedacht, Verena.
Immerhin hatte ich mich ja instinktiv mit Ben bereits an die Seite gesetzt, als die beiden ersten Teilnehmer üben sollten, u.a., weil es selbst mir zu voll war. Wobei es gar kein Unglück war, daß wir uns damit nun hinter dem ersten Pärchen befanden und das zweite im Zuge der "Konfrontation" auf uns zulaufen würde. Ben hatte links und rechts neben sich Raum und mich streichelnderweise (klar, auch da kraulte ich ihn schon) um sich, und so konnte er sogar gut aushalten, daß der kleine Rumäne, als dieser erste Versuch schiefgegangen war und er und Mikos entspannt werden sollten, ihn die ganze Zeit im Auge hatte.
Das Gebelle und die Scheinattacke, die der Nervösling aus Rumänien gestartet hatte, hatten Ben auch ziemlich kalt gelassen und als die "Kontrahenten" dann noch erfolgter Beruhigung den Ring verließen, machte ihm diese Bewegung auch nichts mehr aus. Er war tatsächlich ruhig, und so kam dann eben auch mein Satz zustande, der erklärte: "Wir sind aber gar nicht aufgeregt", als die Referentin Ben und mich zunächst für einen weiteren Versuch des Aufeinanderzugehens in den Ring schickte und dann ihre Pläne mit dem Satz "es sind jetzt alle so aufgeregt, ich glaube, so hat das gar keinen Sinn" kurzfristig änderte.
Als sie mich fragte, warum ich denn dann stehe, wenn ich doch so locker sei, erklärte ich ja noch grinsend, ich setzte mich selten, wenn ich einem anderen Hund begegnen solle, auf den Boden, weil das tendentiell unpraktikabel sei und konnte mich auf ihre Einlassung, wenn ich aber doch soooooo entspannt sei, könne ich mich bestimmt trotzdem niederlassen und hätte nicht, wie die meisten Menschen, Angst, den Hund im Zweifel nicht halten zu können, locker hinfläzen. Naja, in den Schneidersitz neben Ben plazieren. ;-)
Ich hätte den, hätte er sich wild gebärdet so natürlich tatsächlich nicht halten können. Aber ... ich vertraute ihm total, hatte gar keine Sorge, daß irgendwas passieren würde. Nun sollte Herr Ben sich ebenfalls entspannt genug fühlen, um sich von selbst hinzulegen, ohne Signal. Darauf wollte man warten, wurde gesagt, bevor es weitergehen würde. Nun, man mußte sich nicht lange gedulden. Mein vierbeiniges Muster an Lockerheit brauchte keine Minute, um sich an meinen Beinen zusammenzurollen.
Nun bin ich, wie wir mittlerweile wissen, der typische Fall von: Wenn mein Hund an mir liegt, kraule ich ihn bis der Arzt kommt. Und rede mit ihm, kümmere mich, schaue ihn an, kurz: konzentriere mich auf ihn, egal, was drumherum passiert. Uns wurde also eine Beobachterin zugeteilt und der nächste Hund auf die Fläche geführt. Der sollte natürlich ebenfalls abgelegt werden. Doch die kleine Galga, die man sich ausguckte, hatte eigene Pläne und steckte erstmal ihr Näschen über Ben. Trotz der zuvor erdachten Strategie, jetzt frontale Annäherung zu vermeiden, dachte sie offenbar, das galt nur für Frauchen, aber nicht für sie. Sie strebte also direkt auf Ben zu, so schnell konnte man gar nicht gucken. Und ich? Streichelte. Und Ben? Ignorierte. "Galga? Wo?" sagte er und ergänzte: "Kraul mich, dann tu ich so, als ob wir allein auf der Welt sind."
Sie plazierten sich dann ca. drei Meter von uns weg. Frauchen setzte sich, Hund legte sich. Das nächste Pärchen kam. Mikos, der Grieche, großer unruhiger Rüde. Ben nahm's gar nicht sichtbar wahr. Weil er nämlich: Pennte. Beide Augen waren zu, die Atmung ruhig, ich streichelte, und Monsieur waren in irgendeinem mäuselochgefüllten Paralleluniversum.
Erst, als sich die Frau mit dem Frenchie in nicht einmal zwei Meter Entfernung ansiedelte, guckte er kurz hoch. Um die Schnauze in meine Hand zu kuscheln. Ich bewegte mich instinktiv im Sitzen langsam ein bißchen um meinen Hund rum, bis ich mit dem Rücken zu den anderen Hunden saß und er vor mir lag. Ich schirmte ihn ab, er merkte es und duselte wieder ein. Den ihn später anstarrenden Labrador-Mix (pubertierender unkastrierter Rüde, der -laut Referentin- munter nach Testosteron roch und wohl auch deshalb von den anderen Hunden ständig angemault wurde) namens Fozzy-Bär nahm er gar nicht zur Kenntnis, ich hatte nicht einmal mehr die Leine in der Hand, sondern dauernd nur den Hundekopf, den ich dauerbestreichelte.
Und, wie schon mehrfach erwähnt: Es war ganz plötzlich eine wundervolle Atmosphäre im Raum. Am Ende waren es sechs Hunde, die entspannt nebeneinander und neben ihren Menschen lagen, die sie streichelten und beschmusten. Da konnte dann auch der kleine Rumäne wieder dazugeholt werden, auch er genoß das gemeinsame Ritual. Selbst die Zuschauer, ob Hund oder Mensch, wurden ruhiger, leiser, friedvoller. Die Beobachter, die allen Paarungen ja zugeordnet waren, begannen leiser zu sprechen, es war ein wirklich schöner Sonntagvormittag, einer, wie man ihn sich wünscht.
Und ich bin mit der Referentin der Meinung: Solche Übungen würden auf jeden Hundeplatz und jede Hundeschule gehören, nicht nur ständiges Toben und Trainieren von Unterordnung oder Hürdenlaufen. Es war wirklich deutlich zu spüren, daß diese Form der Gemeinsamkeit den Hunden wie den Menschen guttat. Ich war fast traurig, als es hieß: Einer muß jetzt aufstehen und mit dem Hund etwas tun, um zu gucken, wie die anderen reagieren. Ich bot an, dieser eine zu sein, machte ein paar kleine Übungen mit Ben, der jedem noch so leisen Signal folgte, freudig und locker. Auch, als wir die "Tanzfläche" dann verließen, blieb er ruhig, ging an den Hunden vorbei, die tatsächlich jetzt alle liegenblieben. Erst, als uns dann eine Hündin, ein kleiner Wuschelkopf, ersetzte, gab es etwas Spannung, einfach, weil sie sehr unruhig war, doch da lag Ben schon nach kurzem Spaziergang im Auto, in dem er den Rest des Seminars dann, unterbrochen durch eine ausgiebige Toberunde im Philipps-Park in der Mittagspause, verschlief.
Kurz noch zum zweiten Theorieteil, der aus weiteren Übungen anhand von Photo- und Filmmaterial bestand. Ein paar Ausschnitte der von der Referentin gefilmten „Ritterspiele“ vom Vortag gab es auch zu sehen, aber man merkte natürlich, daß die Aufnahmekapazitäten von Mensch und Hund -vor allem von Mensch- ziemlich erschöpft waren. Trotzdem oder gerade deshalb (denn nur, wer viel erfahren hat, kann auch erschöpft sein) ist mein Fazit: Es war ein bereicherndes Seminar, das mir vor allem eines brachte - die Erkenntnis, daß unsere Hunde uns sehr deutlich signalisieren, was sie brauchen und wollen und zwar ohne, daß wir es vermenscheln und interpretieren müßten. Nur sehen, sehen müssen wir es, wenn wir ihnen durch den Alltag helfen wollen.
Viele Grüße Barbara mit Ritter Parcifal, Prince Maddox und Sir Lancelot sowie in ewiger Verbundenheit mit Malibub Athos, Seelenbub Ben, Spitzbub Ilias, Lausbub Seppl und 'dame de coeur' Lupa (G'lupa de la Noire Alliance)
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"Just a generation ago if you went near a dog when he was eating and the dog growled, somebody would say, 'Don't go near the dog when he's eating!, what are you crazy?' Now the dog gets euthanized. Back then, dogs were allowed to say, NO. Dogs are not allowed to say no anymore...They can't get freaked out, they can't be afraid, they can never signal 'I'd rather not.' We don't have any kind of nuance with regard to dogs expressing that they are uncomfortable, afraid, angry, or in pain, worried, or upset. If the dog is anything other than completely sunny and goofy every second, he goes from a nice dog to an 'AGGRESSIVE' dog." (Jean Donaldson)
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