Eine Freundin von mir hat sich einen Hund aus dem Tierheim geholt, der an PRA (Progressive Retina Atrophie = Netzhautdegeneration) leidet. Diese Erkrankung ist leider nicht heilbar. Sie hat nun das Problem, dass der Hund an Orten, wo viele Menschen und auch Hunde sind, sehr entspannt ist, kommt ihm jedoch auf freiem Feld eine Person oder aber auch ein Hund entgegen, prescht er nach vorne. Wir nehmen an, dass dies von seiner Unsicherheit herrührt, dass er dies als Bedrohung empfindet und es nicht einordnen kann, da er es ja nicht mehr richtig sieht. Hat jemand von euch Erfahrungen mit blinden oder sehbehinderten Hunden. Ich habe ihr vorgeschlagen, dass sie jedes Mal, wenn sich jemand frontal nähert, dieses benennt und sobald der Hund in die Richtung kuckt und noch ruhig ist, ihn auch belohnt. Ist dies der richtige Weg oder was würdet ihr vorschlagen?
LG Danielle, Mexxi, Stella, Apatsche, Lilith und Iason
Hallo. Ich habe dir mal einen Link per PN geschickt diesbezüglich. Ansonsten finde ich ist das eine gute Idee mit dem Benennen. Habe leider keinerlei Erfahrung mit blinden Hunden. LG Nicole
************** Liebe Grüße Nicole mit "Stinkstiefel" Tobi, und Balou, meinem Bärchen, für immer im Herzen
"Ihr Hund mag Ihnen gegenüber vielleicht ungehorsam sein, aber den Gesetzmäßigkeiten des Lernens gehorcht er stets ausnahmslos perfekt."
Hunde mit Sehbehinderung oder mit Blindheit (seit Geburt oder allmählich wie bei progressiven Netzhauterkrankungen) sind meist unauffällig, da sie über das Hören und Riechen weit besser als Menschen den Ausfall des Sehens kompensieren können. Problematisch ist der Wegfall des Bewegungssehens (besonders in der Dämmerung). Daher können sie bei schneller Annäherung eines Tieres oder Menschen (Jogger, Kaninchen etc.) überrascht werden.
Wenn sich der Hund dort, wo viele Menschen und Hunde sind, entspannen kann, spricht das dafür, dass er a) diese Umgebung kennt und damit Geräusche und Gerüche gut einordnen kann b) dass deine Freundin vielleicht in dieser Umgebung ihn mehr anspricht und führt als im Feld und c) dass der dort an der Leine ist, im Feld aber wohl nicht.
Das Nach-Vorne-Preschen zeigt eben auch, dass er den Kontakt über seine Nah-Sinne sucht. Wichtig wäre es, dass deine Freundin gerade im Feld ihn viel anspricht und Kontakt mit ihm hält. Dazu würde ich ihn (besonders dann, wenn sie ihn noch nicht lange zu Hause hat) im Feld an der langen Leine lassen. Weiß deine Freundin denn, wieviel er noch sieht? Da sie nicht sicher sein kann, was er auf welche Distanz noch erkennt, würde ich das 'Hinsehen' nicht belohnen. Eher die Konzentration auf mich und eine gemeinsame Annäherung.
LG Iris mit Brummbär Richy und Springmaus Querida _______________________________________________
"Happiness is not a station you arrive at, but a manner of travelling." (M.L. Runbeck)
Die Nummer mit der Einzelperson auf freiem Feld muss gar nix mit der PRA zu tun haben, das zeigen nicht wenige Hunde. Dass sie sich in Menschenmengen diesbezüglich unauffällig verhalten, liegt oft daran, dass die "Reizüberflutung" dann einfach zu hoch ist. Auf ein einzelnes Element in ansonsten menschenleerer Umgebung konzentriert es sich ja so schön, sticht ja auch gut raus ;-) Mein Otter ist ja nun auch so ein Kunde, der freilaufende Menschen auf weiter Flur mehr als verdächtig findet. Was hilft, den Passanten nicht an den nächsten Baum zu nageln: Bei Sichtung Hund ranrufen (möglichst BEVOR er Gelegenheit hatte, den Passanten anzubrüllen), Fuß gehen lassen und im leichten Bogen vorbei, wobei man selbst zwischen Element und Hund ist und sich auf diesen konzentriert, nicht etwa auf den Fußgänger. Bei uns reicht mittlerweile ein "Codewort" und der Otter weiß, es ist ok, dass da jemand kommt. Der DARF da laufen.
PRA-erkrankte Hunde haben oft in der Dämmerung Probleme, wie Stoppel schon sagte. Aber auch Schatten, besonders Schatten auf dem Boden (die dann scheinbar wie "Abgründe" oder "Tiefen" auf den Hund wirken) können für Verunsicherung sorgen. Da aber der Prozess üblicherweise relativ langsam fortschreitet, hat der Hund Zeit, sich auf den Zustand einzustellen. Völlig blinde Hunde suchen sich oft einen "Wegweiser" (das kann Mensch oder Hund sein), an dem sie "kleben" wenn sie sich nicht sicher fühlen und/oder in neue Umgebungen kommen. Davon darf man sich nicht irritieren lassen, mit zunehmender Sicherheit (und Zeit) fällt die fehlende Sicht kaum noch auf. Meist merkt man ihnen dann nicht mal groß was an.
Ich vermute auch, daß die Sache auf dem Feld eher weniger mit der Sehbehinderung zu tun hat. Ben ist auf einem Auge blind, allerdings kann er, vermutet die Tierärztin, Schatten und/oder Bewegungen wahrnehmen, das aber diffus und dementsprechend als bedrohlich.
Ben ist ein von seiner Grunddisposition her klar aggressiver Hund, wenn er sich bedroht fühlt, geht er eher nach vorne als nach hinten - wenn ich ihm nicht helfe.
Er ging aber von Anfang an in größeren Menschenansammlungen nie auf irgendjemanden oder irgendwas los. Im Feld oder im Wald hingegen tat er es sehr wohl und auch noch vergleichsweise lange, nachdem wir begonnen hatten, gezielt alternatives Verhalten zu trainieren.
Was ich in Sachen Management tat, war, ihm Freilauf nur mit Beißkorb zu gewähren und immer zwischen ihm und dem Reiz zu gehen, ihn also abzuschirmen. Parallel lernte er, daß er sich hinlegen soll, wenn er sich bedroht fühlt und sich darauf verlassen kann, daß ich für ihn regele.
Erst, als er wirklich wußte, daß er mir diesbezüglich vertrauen kann, war es ihm möglich, Menschen ungehindert passieren zu lassen. Ben generalisierte irgendwann, und es kam nicht mehr darauf an, was er sehen oder nicht sehen konnte, er wandte sich halt an mich und gut war es. Und ist es bis heute.
Eine Rolle spielt die Behinderung trotzdem: Bewegungen links neben ihm irritieren ihn sichtbar, er drängt sich dann eher noch näher an mich ran oder erschreckt sich sogar mal, heute allerdings rückwärts und vom Reiz weggerichtet.
Fazit wäre aus meiner Sicht: Unabhängig davon, wieviel der Hund, von dem Du schreibst, sieht, klingt es, als ob er generell eher unsicher wäre. Was bedeutet, Deine Freundin sollte mit einem ruhigen und sicheren Führanspruch rangehen und ihm helfen, an ihrer Seite das Leben zu bewältigen, behindert oder nicht spielt dabei IMHO keine Rolle, eher die Frage nach der grundlegenden "Gestricktheit" dieses speziellen Hundes.
Viele Grüße Barbara mit Ritter Parcifal, Prince Maddox und Sir Lancelot sowie in ewiger Verbundenheit mit Malibub Athos, Seelenbub Ben, Spitzbub Ilias, Lausbub Seppl und 'dame de coeur' Lupa (G'lupa de la Noire Alliance)
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"Just a generation ago if you went near a dog when he was eating and the dog growled, somebody would say, 'Don't go near the dog when he's eating!, what are you crazy?' Now the dog gets euthanized. Back then, dogs were allowed to say, NO. Dogs are not allowed to say no anymore...They can't get freaked out, they can't be afraid, they can never signal 'I'd rather not.' We don't have any kind of nuance with regard to dogs expressing that they are uncomfortable, afraid, angry, or in pain, worried, or upset. If the dog is anything other than completely sunny and goofy every second, he goes from a nice dog to an 'AGGRESSIVE' dog." (Jean Donaldson)
Bereits lieben Dank für eure Tipps. Ich werde diese dann weitergeben.
Der Hund läuft auf freiem Feld grundsätzlich an der Leine, da meine Freundin den Hund noch zu wenig kennt und eben noch nicht einschätzen kann, was er sieht und was nicht. Ich habe mir jetzt mal Bücher mit Erfahrungsberichten zum Thema bestellt, da kann sie sich dann einlesen und auch sehen, dass wir Menschen oft größere Probleme mit diesen Behinderungen haben als die Tiere selbst.
Die Frau selbst ist leider momentan so unsicher, dass sich das wahrscheinlich auf den Hund überträgt.
LG Danielle, Mexxi, Stella, Apatsche, Lilith und Iason