Hier also die Ergebnisse, wobei ich am ersten Tag, beim Thema Angst, nicht viel mitschrieb, da versprochen wurde, die Power-Point-Präsentation als .pdf an die Teilnehmer zu versenden. Zudem war ich nicht sehr gut drauf und ist das Thema nicht so sehr meins, ehrlich gesagt. Ich gebe das wieder, was ich behalten habe und ergänze das nochmal, wenn die Präsentation gekommen ist.
Tag 1, Angst
Zunächst betonte Baumann, daß er nicht aus wissenschaftlicher Sicht referiere/betrachte/erkläre, sondern aus Sicht der Praxis/des Praktikers.
Er begann mit einer Unterscheidung zwischen Angst, Unsicherheit und Distanz. Er erklärte, jeder Hund, insbesondere Welpe, zeige in ihm unbekannten Situationen Unsicherheit, deshalb sei er nicht gleich ängstlich oder gar ein Angsthund. Im Gegenteil, ein Welpe, der nicht in der ersten Phase seines Lebens so gut wie dauernd unsicher sei, sei eher krank als gesund. Ein junger Hund MÜSSE unsicher sein, der pathologische Draufgänger, von dem dann stolze Menschen berichteten, er gehe auf alles zu und sei unglaublich mutig, sei nicht normal, schließlich müsse das Tier seine Umwelt vorsichtig erkunden und das Leben in ihr erlernen. In der Natur sei diese Vorsicht überlebenswichtig, das dürfe man nicht vergessen.
Ebenso sei ein Hund, der Distanz zu anderen Hunden oder Menschen suche, keineswegs ängstlich, sondern eben einer, der diese Distanz von Natur aus benötige und die man ihm schlicht lassen müsse/solle.
Angst definierte er als unangemessene Fluchtimpulse, den Verlust natürlicher Neugier bzw. des sich Herantastens, die bis hin zur Panik reiche. Diese sei therapierungsbedürftig, die Unsicherheit sei in der Regel durch den Menschen dadurch händelbar, daß dieser eine klare Führung zeige und dem Hund helfe, sicherer zu werden.
Er trennte zwischen genetisch disponierter Angst, die er für form-, aber nicht für wandelbar hält, während er sagt, erlebte/erfahrene Angst sei beides, form- und wandelbar.
Therapieansätze gegen Angst sind bei ihm, so fand ich, eher altbekannte Techniken: Langsame Gewöhnung an Reize, verbunden mit viel Bestätigung sowie die Erarbeitung der Orientierung des Hundes an einem starken, sicheren Menschen, der diesen ruhig führe.
Namentlich nannte er mit dem "Futterkreis" eine Strategie für Angst vor Menschen. Hier stellen sich Helfer im Kreis auf (oder hocken sich hin, je nach Hund), der Hund wird von seinem Menschen von der Mitte aus in spiralförmig weiter werdenden Kreisen an den Menschen vorbeigeführt.
Wichtig sei generell, sagte Baumann, daß nicht die Menschen/Reize auf den Hund einströmten/sich näherten, sondern der Hund immer näher an diese heranginge.
Im Fall des Futterkreises geschieht dies durch die größer werdenden Kreise, die der Mensch und der an einer Gummileine geführte Hund beschrieben. Die Helfer haben das Futter locker in der Hand, wenn der Hund Interesse zeigt, darf er hin und es sich nehmen, wird jedoch sofort danach an der Leine (daher Gummi, sie soll elastisch wegziehen, nicht rucken oder reißen) vom Menschen weggenommen. Laut Baumann entsteht dadurch ein stärkerer Wunsch des Hundes, wieder hin zum Menschen zu kommen und so gegen den Menschen, der ihn wegzieht zu arbeiten und mehr Mut aufbringen zu müssen als wenn er einfach beim fütternden Menschen verharren dürfe.
Eine weitere Technik ist das von ihm "erfundene" LaKoKo, wobei die Abkürzung für Langsamkeit/Konzentration/Koordination steht. Hier wird ein Parcours aus Stangen gelegt, in dem der Mensch den Hund führt und zwar extrem langsam (80 Prozent des normalen Tempos sollen weggenommen werden) und gemeinsam konzentriert. Der Mensch übernimmt dabei die Koordination, die er über positives Lob (ohne Leckerchen, einzig über Stimme und Körperkontakt) und negative Einwirkung (der Hund wird an Halti und Halsband mit Doppelleine geführt, an ersterem wird leise geruckt sowie der Körper des Menschen zur Korrektur eingesetzt) erzielt. Er nennt diese Technik homöopathischen Zwang und erklärt, daß er überzeugt ist, daß sich hundliche Angst nicht ohne den Hund zwingende Maßnahmen lösen läßt.
Dritte Technik sind Gewöhnungsprozesse, man könnte das konzentrierte Desensibilisierung nennen. Beispiel: Hund hat Angst vor lauten Geräuschen und flüchtet, wenn er sie hört, Hund kommt an S-Leine, Helfer knallen, Hund will wegrennen, Mensch stoppt über S-Leine und konzentriert den Hund auf sich, lobt, sobald der Hund dem folgt.
Er zeigte dann einige Fallbeispiele im Video, für mich war das eine Mischung aus Faszination und zum Teil auch dem Gefühl, da macht er es sich zu leicht. Es überwog aber vor allem der Eindruck, daß ich (mit der Betonung auf "ich persönlich") hier letztlich nichts Neues erfuhr, bis auf das LaKoKo, das für mich aber auch eine Art "alter Wein in neuen Schläuchen" zu sein schien, kannte ich diese Techniken alle.
Angenehm fand ich die unaufdringliche und überhaupt nicht selbstdarstellerische Art des Mannes. Was mir etwas fehlte, war der wissenschaftliche Ansatz, jedenfalls am ersten Tag. Er ist einfach eher Praktiker, das war zu sehen, nur leider mußte ich aus privaten Gründen am Mittwoch vorzeitig weg und verpaßte den Trainingsteil, so daß ich zunächst etwas enttäuscht war. Um es jedoch vorweg zu sagen: Das legte sich am Donnerstag, spätestens, als ich ihn in Interaktion mit den Hunden und das Leuchten in seinen Augen sah, wenn ein Hund sich ihm öffnete, wenn er etwas tun, ihnen helfen konnte. Das war nicht verstellt oder verfälscht, das war echt, da lebte er auf, da war er in seinem Element, Fisch im Wasser, wie ein Musiker in seiner Musik. Und das war es dann auch, was mich für ihn einnahm und mich ihm Ben und mich temporär anvertrauen ließ.
Mir schien es allerdings am zweiten Tag insgesamt so, als ob nicht nur mir, sondern auch ihm das Thema "Aggression" einfach näher war als das Thema "Angst". Er ging auch mit den (angeblich muß man bei den vier Hunden vor Ben sagen) aggressiven Hunden anders um als mit den ängstlichen, wobei ich bei letzteren den Umgang ja nur im Video hatte sehen können.
Ich muß allerdings auch sagen, daß mich das Thema "Aggression beim Hund" deutlich mehr berührt und interessiert, vielleicht lag meine Verhaltenheit nach dem ersten Tag auch daran, daß ich für aggressive Hunde einfach ein besseres Gespür habe als für reine "Paniker", einen besseren emotionalen Zugang auch. Ich war einfach auf dem Terrain mehr Hause, war insgesamt besser drauf und konnte mich damit auch deutlich besser einbringen und nahm vielleicht auch daher mehr auf und mehr mit als beim Thema "Angst".
Doch bevor ich den zweiten Tag inhaltlich protokolliere, nehme ich ein Mützchen voll Schlaf, nachdem ich vorher noch zusammenfassend ein paar Worte über Baumann selbst und die Atmosphäre verlieren möchte.
Es war alles sehr locker, fand ich, und Baumann gab nie jemandem das Gefühl, irgendwie blöd oder unfähig zu sein. Er war überhaupt nicht arrogant oder von oben herab, duzte und ließ sich duzen. Wobei es fast lustig war, daß die meisten Seminarteilnehmer sich zwar duzen ließen, ihn aber respektvoll siezten. Was ich instinktiv übrigens nicht tat, ich duzte ganz automatisch zurück, und ich denke, wie sich der ein oder andere diesbezüglich verhält, spiegelt in sich schon etwas über den eigenen Selbstwert zurück. Was sich dann wiederum im Zusammenspiel mit dem eigenen Hund durchaus ebenfalls manifestieren kann bzw. tatsächlich auf dem Platz auch manifestierte. Unsicherer Hund von unsicherem Menschen geführt - das waren fast alles Baumann-Siezer, ohne Witz.
Ansonsten: Einen Verkaufszwang oder etwas in der Art sah ich nicht, es lagen halt einige seiner Bücher rum, die man hätte kaufen können, angepriesen hat die aber niemand. Einzige Eigenwerbung war der Hinweis auf die Website
http://www.dogworld.de, gepaart mit der Info, daß sich da Leute wie er, Bloch, Lübbe zusammengetan haben, um mehr Wert auf die praxisnahe Ausbildung von Trainern legen zu wollen. Denn die Praxis käme heute gegenüber der Theorie viel zu kurz, dabei halte er sicheren Instinkt und gute Intuition für eines der wesentlichsten Merkmale eines guten Trainers. Wer das nicht hätte, solle besser, Zitat, Kanarienvögel züchten. Ich muß sagen: Dem stimme ich zu, und ich erlebte, daß er das tatsächlich zeigte - ein gutes Gespür für die einzelnen Hunde, mit denen er dann in den Praxisteilen umging.
Neben dem Hinweis auf die HP sagte er nur noch, er habe ein weiteres Buch geschrieben, das im Juni erscheine, aber das halte ich nicht gerade für aufdringliche Werbung, sondern für normal/legitim. Zumal er sich den Satz "das müßt Ihr dann alle kaufen" eben sparte.
Was mich ziemlich beeindruckte, war die Kritik- und Selbstkritikfähigkeit. Er sagte mehrfach "das habe ich dann und dann noch gesagt/geglaubt, heute würde ich das nicht mehr sagen/schreiben", ebenso wie er gleich im ersten Video, das er zeigte, fragte: "Was mache ich hier falsch?", ohne daß irgendwer sofort geschrien hätte "da ist aber was falsch". Das kam von ihm, er zeigte quasi auf sich selbst, um auf den Fehler hinzuweisen, den wohl sonst gar keiner bemerkt hätte. Er war auch in den Diskussionen bzw. wenn Fragen kamen, sehr aufgeschlossen und sachlich, ich erkenne "Abwehrkurse" sehr schnell, glaube ich, aber bei ihm fand ich da wirklich nichts von, für einen "Guru" wohl tendentiell ungewöhnlich.
Und darin liegt auch das Fazit über den Auftritt des Herrn Baumann, daß er eben nicht wie ein solcher auftrat, auch nicht autoritär oder herrschend, sondern mit Sachautorität, die bestrebt ist, selbst durchaus auch dazuzulernen. Er ist auch kein "großer Unterhalter" (wie Bloch es beispielsweise durchaus ist), der Wert auf einen guten Gag legt. Er referiert ruhig, zum Teil sogar fast trocken, finde ich, aber nicht langweilig und bestimmt nicht von zuviel Wissenschaftlichkeit geplagt, obwohl der den Background ganz offenkundig besitzt.
Was man -fand ich zumindest- sehr schnell rausspürt und auch im Umgang mit den Hunden sofort sieht, ist, daß er mal Polizeihundetrainer war. Die Art, wie er Hunde führt, war für mich "wiedererkennbar", obwohl er aus dem Business ja durchaus einige Jahre raus ist, man sieht, daß er die "alte Schule" durchgemacht hat und diese durch Dazulernen, durch Erweitern des Repertoires eben "uptodate" gebracht hat. Daß er aus dem "Hardcore-Lager" kommt, daraus macht auch er selbst keinen Hehl, er sagt, daß sich halt die Methoden wandeln mußten und gewandelt haben, zur "Wattebausch-Fraktion" gehört er aber definitiv nicht.
Zum zweiten Tag morgen ein zweiter Beitrag, schon der Länge wegen, und weil ich es tatsächlich gern thematisch getrennt erzählen möchte. Aber auch, weil ich jetzt erstmal müde bin. :-)))