Ich habe noch mal ganz viel nachgedacht, denn vieles, was Du beschreibst, kenne ich ja auch und ich habe mir überlegt, wie wir das eigentlich in den Griff bekommen habe.
Ich bin zu dem Schluß gekommen, dass der Schlüssel darin liegt, Verhalten, dass in dem Hund "angelegt" ist (Hüten, Schützen oder Jagen) zu nutzen und nicht "abzustellen". Letzteres klappt sowieso nicht. Stattdessen mache ich dem Hund klar: ja, Du darfst hüten, Du darfst wachen, Du darfst jagen, aber nur als mein "Assistent". Wir machen das gemeinsam. Die meisten Hunde stehen ja total auf "gemeinsam" und sind eigentlich gerne bereit, diese Aufgaben unter Anleitung durchzuführen.
Meine Schäfehündin meint z.B., sie sei Inhaberin einer globalen Wach- und Schließgesellschaft. Ich kann ihr das auch nicht ausreden. Also darf sie wachen, aber ich bin der Oberwächter. Wenn sie etwas alamierendes entdeckt, gibt sie mir Bescheid, ich gucke nach und entscheide dann das weitere Vorgehen (das zu 99% darin besteht, das wir ein Leckerli aus dem Schrank holen).
Zusätzlich hütet Lotta gerne Besucher, zwar nicht so sehr im Haus, aber auf Spaziergängen. Das hat echt auch Vorteile. Wenn ich ihr einen fremden Menschen vorstelle (aber Vorstellung muß sein, sonst wird er vertrieben), kann ich ihr begreiflich machen, dass dieser kein Feind ist, sondern dass sie ihn in die Herde integrieren soll. Dann ist er in ihren Augen zwar ein Schaf, das bewacht werden muß, aber ich kann sie inzwischen bedenkenlos sehr schnell auch mit fremden Menschen alleine lassen. Sie wird ihnen nichts tun sondern passt auf sie auf. Außerdem sind wir inzwischen so weit, dass sie nicht eigentständig handelt, sondern mir Bescheid gibt, wenn das Schaf sich unerlaubt entfernt und ich dann entscheide "Schaf darf gehen" oder "Schaf muß bleiben". Sie guckt mich wirklich nur noch an und fiepst ein bißchen, wenn jemand geht und dafür bekommt sie dann auch eine Belohnung. Beim Mantrailing kann sie das dann sogar richtig ausleben indem sie verlorene "Schäfchen" suchen und zur Herde zurücktreiben darf.
Bleibt die Frage: wie regelt man das praktisch. Ich würde es so probieren. Wenn Mali einem Besucher zum Klo folgt, dann würde ich hinterher gehen (nein, nicht mit auf's Klo, nur hinter Mali her), ihm klar machen, Du hast gesehen, dass das Schaf sich entfernt und dass es OK ist und dann nimmst Du ihn mit und gibst ihm woanders eine Belohnung dafür, dass er es Dir angezeigt hat. Wichtig ist, glaube ich, das "woanders", da Du damit prima die Handlung beenden kannst. Du kannst auch noch ein Signal einführen. Bei uns ist es "alles OK".
Was ich also meine ist: "Abstellen" kann man die Unsicherheit eines Hundes, indem man ihm halt Sicherheit gibt. Das löst viele Probleme dann von alleine. Aber diese wirklich genetisch festgelegten Spezialeigenschaften, die man Hunden angezüchtet hat, die bekommt man auch nicht raus. Die muß man sich irgendwie zu nutze machen. Und man hat gleichzeitig noch eine tolle Beschäftigung für seinen Hund gefunden.
Zum Thema Wachen: Ich habe neulich irgendwo im Internet eine nette Vorgehensweise eines Hundehalters gelesen. Da wurde dem wachenden Hund beigebracht, nicht anzuschlagen, sondern stattdessen zum Hundehalter zu gehen und die Hand anzustupsen. So konnte Hund einerseits seiner Aufgabe, als lebende Alarmanlage nachgehen, andererseits läuft dies dann viel ruhiger und gesitteter ab. Ich weiß nur nicht, ob es da nicht Schlauköpfe gibt, die dann ständig zum Stupsen kommen, obwohl da nichts zu melden ist
Lotta bellt inzwischen nicht mal mehr richtig. Das hat sich von ganz alleine gelegt. Sie jault nur noch so leise vor sich hin. Oft kommt sie auch zu mir und fiepst (z.B. wenn ein Fenster kanllt oder die Kaffemaschine unkontrolliert kochendes Wasser in die Luft spuckt). Wenn sie doch mal bellt, ist es ein einzelnes "wau" wie bei "gib Laut", kein Gekläff. Da ich dann auch schon komme und mich kümmere, scheint ihr das zu reichen.
Wichtig ist einfach, dass man immer und sofort kommt und sich kümmert. Ich denke, meist scheitert es daran, da man dann doch mal keine Lust hat, gleich aufzuspringen und hin zu gehen.
Was das mogeln angeht: ich glaube nicht, dass Hunde das machen. Sie sehen den Job ja schon als sehr wichtig an und nicht nur als Leckerliquelle. Das ist bei Lotta zumindest ein riesiger Unterschied. Es gibt Dinge, die macht sie eignetlich nur für Leckerlis. Tricks zum Beispiel. Ansonsten sieht sie da keinen Sinn drin und es macht ihr auch keinen Spaß. Aber Wachen und Hüten? Das würde sie auch ganz ohne Belohnung machen. Die Belohnung nutze ich da eher, um es in die von mir gewünschten Bahnen zu lenken, nicht, damit sie es tut. Sie wird zwar wachsamer, wenn ich mit ganz tollen Belohnungen komme, aber da ist durchaus immer was, was sie mir meldet, auch wenn es dann Kleinigkeiten sind.
Wow, ich bin echt begeistert wie viel Mühe ihr euch alle mit meinem "Problemchen" gebt! Bin so froh, dass ich mich hier angemeldet habe!
Finde die Idee, Mali zu meinem Assistenten zu machen gut! Mich erinnert das an sein anfängliches Jagen! Da war er bis zu vier Stunden weg
Naja mitlerweile haben wir das super in den Griff bekommen mit Schleppleine, Suchspielen und seinem Bällchen! Mitlerweile läuft er (fast) überall ohne Leine und ich kann ich sogar abrufen ,wenn vor ihm ein Hase weggläuft! Und Mäuschen darf er weiterhin jagen! Außerdem gehe ich mit ihm reiten! Da darf er qusi mich auf dem Pferd jagen! Somit haben wir das Verhalten nicht versucht abzustellen (was ja auch nicht möglich ist) sondern es umgelenkt! Somit sind Hund und Mensch sehr zufrieden!
Also werde ich jetzt versuchen sein Hüteverhalten auch umzulenken! Beim jagen hat es ja wie gesagt auch geklappt! Ich gleube überigens immer mehr an diese Theorie (also das hüten). Als ich darüber nachgedacht habe ist mir eingefallenn, dass er meinen Vater (wenn er bei meinen Eltern ist) versucht zu hüten! Zumidest deute ich dieses Verhalten so:
Mein Vater sitzt in einem Sessel, Mali liegt daneben oder sonst wo und zwischendurch steht er immer mal wieder auf und schleicht in gebückter Haltung um den Sessel rum, d.h. er umrundet meine Vater und fixiert ihn! Dabei knurrt er nicht oder so! Kann man das auch zum Hüteverhalten zählen?
Zitat von NinaWichtig ist einfach, dass man immer und sofort kommt und sich kümmert. Ich denke, meist scheitert es daran, da man dann doch mal keine Lust hat, gleich aufzuspringen und hin zu gehen.
Ja, das ist genau der Knackpunkt. Kira ist ja nun nicht so der Oberwächter, aber wenn sie gestresst ist, kriegt sie so einen Kontrollfimmel und dann muss alles kommentiert werden. Und wenn man dann zum zweihundertsten Mal aus dem Fenster gucken gehen muss, isses irgendwann ganz schön nervig. Helfen tuts aber immer. Bei ihr ist die Meldung allerdings immer noch lautstark und unzivilisiert. Umlenken auf stupsen wäre da sicher ne gute Idee.
Mal daran angelehnt- wie verhaltet ihr euch, wenn euer Hund dennoch Hilfssherriff spielt? Seit die Omi tot ist, glaubt mein kleines Schwarzes nämlich manchmal, Frauchen bräuchte bei der Katzenerziehung Hilfe. Nun kann ich ja nicht immer daneben stehen, aber immer wieder höre ich es auf einmal bellen und dann guck ich- macht Katzi wieder mal was Verbotenes und wurde vom Hilfssheriff erwischt. Normalerweise rufe ich Kira ab und kümmer mich selbst drum, das hat aber leider bisher nicht dazu geführt, meinen Hilfssherriff zu überzeugen, dass ich die Katze selbst erwische...
Zitat von NinaWas das mogeln angeht: ich glaube nicht, dass Hunde das machen. Sie sehen den Job ja schon als sehr wichtig an und nicht nur als Leckerliquelle.
Ich ziehe es auf deinen Rat hin (danke übrigens nochmal dafür ) nun schon eine Weile durch, dass ich Totos Erfüllung seiner Wachhundaufgaben mit "Es ist gut" kommentiere. Und ich merke da schon einen Unterschied. Wir haben das Glück, dass er ein Sichtwächter ist, d.h. wenn ich die Möglichkeiten/Lust zum Üben habe, lasse ich die Jalousie oben (wir wohnen im EG), wenn nicht, lasse ich die Jalousie einfach unten - dann ist es hier zwar recht dunkel , aber ich erspare mir und ihm den Stress. Jedenfalls bemerke ich schon eine deutliche Besserung bzw. abgestuftere Form seiner Wachaktionen. Während er früher teilweise mit Karacho und Gebell bei Erblicken von vorbeilaufenden Menschen zur Terassentür gerannt ist, knurrt er jetzt zwar noch, bleibt aber immerhin liegen. Denkst du, er würde wirklich nicht mogeln, wenn ich ihn zum Anstupsen statt zum Knurren als Meldezeichen animieren würde? Ich traue ihm da schon eine gewisse kriminelle Energie zu Andererseits ist es ja auch, wie du schreibst: er nimmt seinen Job schon ziemlich wichtig. Vielleicht sollte ich es einfach mal ausprobieren. Oder was ich auch überlegt habe: Ein Melde-Apportel (Kuscheltier, Ball, was auch immer) einführen. d.h. statt Knurren lieber mir das Melde-Apportel bringen. Wie würdet ihr sowas aufbauen? Immer beim Knurren das Alternativverhalten verlangen, damit es sich irgendwann statt des Knurrens festigt?
Zitat wie verhaltet ihr euch, wenn euer Hund dennoch Hilfssherriff spielt?
Toto aka Meister Katzenkontroletti meint, dass Katzen nicht miteinander zu toben haben. Er ist da ein bisschen wie ein frustrierter, gelangweilter Rentner Ich handhabe es mit Abrufen oder auf seinen Platz schicken. Manchmal machen wir auch ganz böse Impulskontrolle, indem Toto abgelegt wird und die Katzen vor seiner Nase zum Spielen animiert werden. Aber ich glaube, unser Hilfssheriff-Fall ist da anders. Bei uns geht es wirklich um das wilde Rennen. Toto bellt dann auch nicht richtig, sondern schreitet halt ein. Und hat leider immer Erfolg damit, weil die Katzen dann sofort aufhören und sich verziehen
EDIT: Vielleicht sollte man das Thema hier abkoppeln. Gehört ja nicht mehr direkt zu Malis Problem...
Ich weiß ehrlich gesagt nicht. Klar, es wäre toll, wenn der Hund kommen und einen anstupsen würde, aber ich stelle es mir auch viel schwerer vor, denn der Hund muß sich von dem furchtbar gefährlichen was er gerade entdeckt hat abwenden. Das ist schwer. Wenn ich bei uns im Haus was entdecke, was mich schockiert (sagen wir mal, ich käme in die Küche und diese wäre völlig überflutet) dann würde ich auch nicht zu Peter gehen, ihn freundlich anstupsen und höflich fragen, ob er mal kommt. Ich würde brüllen, dass er mal ganz schnell kommen soll.
Dann noch ein Apportel zu bringen halte ich echt schon für sehr viel verlangt. Das wäre, als ob ich vorher noch nach dem Telefon suchen soll, wenn ich genau weiß, dass Peter in Rufweite ist. Das würde sogar für den Hund noch extra Stress bedeuten, wenn er das Dings dann nicht gleich findet.
Wenn ihr schon von Bellen runter auf Knurren seit, dann würde ich, glaube ich, dabei bleiben und nicht das Risiko eingehen, dass Toto vielleicht doch wieder anfängt zu bellen, weil Du nicht auf seine Warnung reagierst sondern noch Apportierspiele von ihm verlangst.
Das einzige was mir da einfällt ist, eine zweistufige Kette zu machen. Erst sofort mit was ganz pisseligem belohnen (ein Stück Trockenfutter oder so) und anschließend das Stupsen zu fordern und das richtig gut zu belohnen. Wenn er das miteinander verknüpft hat, dass es immer hintereinander kommt, dann kannst Du vielleicht gleich das "stups" fordern und vielleicht macht er es dann irgendwann gleich von alleine. Aber ich kann mir auch vorstellen, dass das Bellen trotzdem vorgeschaltet bleibt. Es ist halt die instinktive Reaktion.
Zitat von Ninaich kann mir auch vorstellen, dass das Bellen trotzdem vorgeschaltet bleibt. Es ist halt die instinktive Reaktion.
Wahrscheinlich hast du recht. Logisch klingt es jedenfalls. Wachhundaufgaben sind ja schon auch irgendwo mit Stress verbunden. Da ist eine instinktive Reaktion weniger schwierig, als eine künstliche-erlernte. Der Stressfaktor ist auch der Grund, warum ich immer schauen muss, dass er es nicht übertreibt mit dem Bewachen. Denn ansonsten würde Toto wahrscheinlich den ganzen Tag in Wachhund-Lauer-Stellung liegen und nie ein Auge zumachen. Wäre ja auch nicht optimal. Da muss ich ihn dann schon auch von seiner Aufgabe befreien. Aber ein bisschen Üben muss halt doch sein. Denn ich denke, das wirkt sich auf sein Gesamtverhalten aus. z.B. auch wie er rund um's Haus reagiert. Und mit viel optimistischem Hoffen wirkt es sich vielleicht auch auf Besuchersituationen aus
Und was das Melden angeht: Hast ja recht. Knurren ist schon so viel angenehmer, als Bellkonzerte. Da muss ich nicht auch noch unbedingt ein Stups von ihm abverlangen.
Hallo Nina, wahnsinn, was Du so alles mit Deiner Lotta gemeinsam machst, bezüglich des Wachens!! Toll. Ich hatte mir Schäferhunde immer irgendwie "einfacher" vorgestellt. Ich denke Deine Lotta hat ein wenig mehr Hüte- und vielleicht auch Schutztrieb als meine Aussiedame. Deinen Satz über Lottas Wach- und Schließgesellschaft finde ich schon wieder zum Schreien , sorry, ich stelle mir das nur gerade bildlich vor. Danke für Eure wirklich guten Anregungen hier. So habe ich das noch nie gesehen. Vielleicht sollte ich mit Maya auch mehr "gemeinsame-Sache" machen!
Lotta ist ein ausgemusterter Werkschutzhund. Sie hat also tatsächlich für eine Wach- und Schließgesellschaft gearbeitet, bzw. sollte dafür arbeiten. Daher wird dieses Verhalten natürlich auch gewünscht und gefördert worden sein.
Als "einfach" würde ich Schäferhunde allerdings nach meinen bisherigen Erfahrungen nicht beurteilen. Ich denke, es hat seinen Grund, dass so viele Schäferhunde in den Tierheimen sitzen und die auch fast alle irgendein Problem haben. Es wird da auch ganz oft explizit nach Interessenten mit Schäferhunderfahrung gesucht, da scheint also schon einiges etwas "speziell" zu sein.
Sie lernen zwar schnell und sind klug und menschenbezogen, aber sie fordern auch viel vom Halter. Und da mir inzwischen auch oft gesagt wurde, Lotta sei für einen Schäferhund noch harmlos, die könnten noch ganz anders, denke ich, es sind wirklich keine Anfängerhunde. Als Ersthund war Lotta eigentlich zwei bis drei Nummern zu groß.
Zitat von Nina Ich bin zu dem Schluß gekommen, dass der Schlüssel darin liegt, Verhalten, dass in dem Hund "angelegt" ist (Hüten, Schützen oder Jagen) zu nutzen und nicht "abzustellen".
Danke für diesen Satz. Das ist genau der Punkt.
Viele Grüße Barbara mit Ritter Parcifal, Prince Maddox und Sir Lancelot sowie in ewiger Verbundenheit mit Malibub Athos, Seelenbub Ben, Spitzbub Ilias, Lausbub Seppl und 'dame de coeur' Lupa (G'lupa de la Noire Alliance)
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"Just a generation ago if you went near a dog when he was eating and the dog growled, somebody would say, 'Don't go near the dog when he's eating!, what are you crazy?' Now the dog gets euthanized. Back then, dogs were allowed to say, NO. Dogs are not allowed to say no anymore...They can't get freaked out, they can't be afraid, they can never signal 'I'd rather not.' We don't have any kind of nuance with regard to dogs expressing that they are uncomfortable, afraid, angry, or in pain, worried, or upset. If the dog is anything other than completely sunny and goofy every second, he goes from a nice dog to an 'AGGRESSIVE' dog." (Jean Donaldson)