Wie einige von Euch wissen, waren Anja und ich am letzten Wochenende zu einem Abendvortrag von Prof. Udo Gansloßer, am nächsten Tag stand vom gleichen Referenten ein Tagesseminar auf dem Plan. Vortrags-Thema war "Gedächtnis und Lernen", Thema beim Seminar war Genetik und Verhalten bei Hunden". Genauerer Bericht folgt, aber einen Teil-Aspekt möchte ich hier kurz rausgreifen, fiel mit bei den feinen Spielbildern von Ginger und Bolli ein.
Gansloßer berichtete nämlich von Herdenschutz-Hunden etwas sehr Spannendes. Demnach schlagen sie ihre Feinde, also Wölfe, Bären und ähnlich herden-bedrohende Spezies nicht etwa durch Aggression und Kampf in die Flucht, sondern -Zitat Gansloßer- "spielen sie in den Wahnsinn". Klingt seltsam, fand wir auch alle. Aber als er es erklärte, klang es gar nicht so unlogisch.
Gansloßer erklärte, daß es zwischen Spiel und Ernst bei Wölfen wie bei Hunden einen eklatanten Unterschied gäbe. Der Ernst-Kampf verliefe, so sagte er, stets nach festen Mustern. Das heißt, auf Handlung A folgt vom Gegenüber immer Handlung B, auf die vom ersten Kämpfenden folgerichtig und vorhersagbar Handlung C käme, auf deren Fuß Handlung D, E und so weiter ebenso festgefügt folgen würden.
Im Gegensatz dazu stünden Spiel-Abläufe. Sie zeichneten sich insbesondere dadurch aus, daß ihre Schemata keine seien, Handlungen in willkürlicher Reihenfolge und eben nicht vorhersagbar abliefen.
Man habe an Herdenschutz-Hunden beobachtet, daß sie sich im Kampf gegen viel größere und stärkere Gegner (wie z.B. Bären es ja offensichtlich sind) genau diese Unverhersagbarkeit zunutze machten und völlig, scheinbar unnütze, Handlungsabläufe aneinanderreihten, auf die sich der Gegner entsprechend auch nicht einstellen könnte.
Ich habe das jetzt noch nicht verifiziert, weiß aber, daß Gansloßer bestimmt nicht die unzuverlässigste Quelle ist, die man finden kann, wenn es um Verhaltensforschung und -biologie ist. Einmal davon abgesehen, daß der Mann auch während dieser beiden Tage einen kompetenten (wenn auch nicht unbedingt geordneten, ich glaube, er folgte auch eher Spiel-Mustern ;-))) Eindruck machte.
Ich fand seinen Bericht (auch über andere Aspekte des hundlichen Lernverhaltens) sehr spannend, wobei für mich der Schluß natürlich folgt, daß Hunde -gegen landläufige Meinung unter einigen Forschern- eben doch spielen, auch wenn sie das Spiel eben zur Kommunikation und zum Testen ihrer Fähigkeiten nutzen, ist es eben etwas ganz anderes als ein "Schlagabtausch" á la Ben, der auf unkastrierte Rüden trifft. Da kann ich die festen Muster dann nämlich tatsächlich erkennen, während ich mich bei Kepri, die mit anderen Hunden umgeht, immer gefragt habe, welchen Regeln sie da wohl folgt. Jetzt könnte meine Wahrnehmung dadurch erklärbar werden, daß Ben es möglicherweise eher ernst meint, während Kepri wirklich spielt, was auch die Unsicherheiten Bens auf der einen Seite (wenn ein Hund ihn anspielen will) und die der anderen Hunde auf der anderen (wenn Ben ihre Aufforderung zu ernst nimmt bzw. ihr aus Unsicherheit nicht folgt) erklären würde.
Nachdem Anja und ich auch lernten, daß Kepri ein klassischer A-Typ von Hund und Ben definitiv ein B-Typ ist, würde mich auch nicht wundern, wenn sie auch an der Spiel-Stelle zumindest teilweise divergieren würden.
Viele Grüße Barbara mit Ritter Parcifal, Prince Maddox und Sir Lancelot sowie in ewiger Verbundenheit mit Malibub Athos, Seelenbub Ben, Spitzbub Ilias, Lausbub Seppl und 'dame de coeur' Lupa (G'lupa de la Noire Alliance)
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"Just a generation ago if you went near a dog when he was eating and the dog growled, somebody would say, 'Don't go near the dog when he's eating!, what are you crazy?' Now the dog gets euthanized. Back then, dogs were allowed to say, NO. Dogs are not allowed to say no anymore...They can't get freaked out, they can't be afraid, they can never signal 'I'd rather not.' We don't have any kind of nuance with regard to dogs expressing that they are uncomfortable, afraid, angry, or in pain, worried, or upset. If the dog is anything other than completely sunny and goofy every second, he goes from a nice dog to an 'AGGRESSIVE' dog." (Jean Donaldson)
Zitat von Elektra Nachdem Anja und ich auch lernten, daß Kepri ein klassischer A-Typ von Hund und Ben definitiv ein B-Typ ist, würde mich auch nicht wundern, wenn sie auch an der Spiel-Stelle zumindest teilweise divergieren würden.
Sehr interessant, liebe . Könntest Du bitte noch kurz erklären, wie sich A- und B-Typ definieren? Und noch eine Frage: Gibt es noch mehr Typen? Danke
Was ich gerne wissen würde: Wurde dieses "sich in den Wahnsinn spielen" auch zwischen Hunden beschrieben, oder wenden Hunde diese Art nur an anderen Tieren an. Kannst du das ein wenig genauer beschreiben?
Auch Kepri folgt einem Muster, das setzt sich meist zusammen aus Aufbocken, Aushebeln und Planieren des Spielgegners, nur benötigt sie um dies zu zeigen auch einen solchen, der sich dies gefallen lässt, ansonsten bleibt es bei lauthalsen Spielaufforderungen.
Wobei wir ja von Ayla und Kepri auch das liegende und eher sozial geprägte Spiel kennen, dies zeigt Kepri aber nur bei streng ausgesuchten Hunden.
Die reinen A bzw. B- Typ Hunde sind auf der HP beschrieben http://www.aggressionshund.de/index.php?page=73, scrollt einfach bis "Die Hunde", dort hat Barbara die Typen erklärt, es gibt auch Mischtypen.
Ich weiß nicht, ob mein Vergleich hier zutrifft, aber das mit den Herdenschutzhunden erinnert mich etwas an Stöberhunde, die ein viel größeres und/oder sehr wehrhaftes Wildtier in Gang bringen wollen z.B. Hirsch oder Wildschwein.
Dabei können sie sich ja auch nicht auf einen „Ernstkampf“ einlassen, sondern versuchen durch die unterschiedlichsten Handlungsabläufe die Tiere „aufzumöbeln“, sprich im Stand verbellen, Scheinangriffe, Rückzugssprints, erneutes Angehen, Rumtanzen, usw., usw... Von außen betrachtet kann dieses Verhalten durchaus auch wie ein ausgeflipptes Spiel aussehen, zumindest kann ich ein vorhersehbares Schema da auch nicht gerade erkennen. Allerdings ist der Tenor der Stöberhunde dabei schon als aggressiv einzustufen.
Das Ergebnis dieses Aufmöbelns soll jagdtechnisch kein Kampf sein, sondern dass sich die Tiere in Bewegung setzen, von den spurlauten Hunden verfolgt werden, um sie so zum Jäger zu bringen.
Zitat von Claudia Könntest Du bitte noch kurz erklären, wie sich A- und B-Typ definieren? Und noch eine Frage: Gibt es noch mehr Typen?
Nein, es gibt keine weiteren Typen. Allerdings gibt es a) Mischformen und b) weniger stark ausgeprägte A- und B-Typen.
Neben dem, was auf der HP schon erklärt ist, zeichnet sich der A-Typ durch eine besonders hohe Adrenalin- und Nor-Adrenalin-Ausschüttung aus. Letzteres wird auch als "Kampf-Hormon" bezeichnet, es verschafft dem Hund "gefühlte Erfolge", so daß Aggressionsverhalten tatsächlich, obwohl eigentlich ein negatives Gefühl, in dem Moment, in dem es stattfindet, selbstbelohnend sein kann. Solange das Nor-Adrenalin in Körper wirkt, wird aggressives Verhalten für den Hund daher erleichtert, im Hirn werden entsprechende Reize leichter weitergeleitet, andere werden blockiert. Insgesamt beeinflußt die Ausschüttung von Adrenalin und Nor-Adrenalin Gedächtnisprozesse dahingehend, daß der Hund sehr leicht Aggression mit für ihn problemlösendem Verhalten verbindet.
A-Typen gehen also leichter "hoch" und insgesamt aktiver auf Unbekanntes zu, parallel dazu lernen sie subjektiv zunächst einmal schneller als B-Typen, die eher eine Tendenz haben, Probleme "auszusitzen" (ich nenne das gerne mal das "Bundeskanzler-Gen") und sich Unbekanntem eher abwartend, verhalten und vorsichtig zu nähern.
B-Typen schütten im Gegensatz zu A-Typen weniger Adrenalin und Nor-Adrenalin, dafür jedoch mehr Cortisol aus, wenn sie unter Druck geraten, in die Enge gedrängt werden oder Neuem begegnen. Auch hier wird das Verhalten durch Hormonänderungen beeinflußt.
Steigerungen des Cortisol-Spiegels wirken generell positiv auf soziale Bindungsfähigkeit und haben Dopamin-Ausschüttungen im Gefolge, die als positive Verstärker im Gehirn wirken. Dopamine begünstigen die Abspeicherung von Erlerntem im Gehirn, woraus abzuleiten ist, daß B-Typen zwar langsamer lernen, aber bessere Lernvoraussetzungen haben, wenn sie in ihrem eigenen Tempo das Lernziel selbst erarbeiten können/dürfen, weil Lernvorgänge sie quasi "glücklich machen".
B-Typen steigen laut Gansloßer dementsprechend in sozialen Strukturen auch in der Regel weiter auf als A-Typen, da sie effektiver lernen, ihre Frusttoleranz höher ist, sie weniger streßanfällig sind, weil sie in der Lage sind, Konflikte nicht sofort aggressiv lösen zu müssen.
Ich werde über die anderen Ergebnisse der beiden Gansloßer-Tage noch berichten, aber ich glaube, es ist ganz gut, diese Zusammenhänge hier noch einmal getrennt darzustellen. Ich jedenfalls fühlte mich am Sonntagabend mit soviel neuem Wissen erschlagen, daß ich erstmal verdauen mußte.
Was zum nächsten Stichwort "Verarbeitung von neuem Wissen im Tiefschlaf" führt. :-)
Viele Grüße Barbara mit Ritter Parcifal, Prince Maddox und Sir Lancelot sowie in ewiger Verbundenheit mit Malibub Athos, Seelenbub Ben, Spitzbub Ilias, Lausbub Seppl und 'dame de coeur' Lupa (G'lupa de la Noire Alliance)
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------------------------------------------------- Der Gedanke "Wie belohne ich meinen Hund für richtiges Verhalten?" zeichnet die Qualität der Ausbildung aus, nicht der über Bestrafung. (Edgar Scherkl)
Wieder einmal für den guten und sehr verständlichen Bericht.
Zitat von Elektra Jetzt könnte meine Wahrnehmung dadurch erklärbar werden, daß Ben es möglicherweise eher ernst meint, während Kepri wirklich spielt, was auch die Unsicherheiten Bens auf der einen Seite (wenn ein Hund ihn anspielen will) und die der anderen Hunde auf der anderen (wenn Ben ihre Aufforderung zu ernst nimmt bzw. ihr aus Unsicherheit nicht folgt) erklären würde.
Nachdem Anja und ich auch lernten, daß Kepri ein klassischer A-Typ von Hund und Ben definitiv ein B-Typ ist, würde mich auch nicht wundern, wenn sie auch an der Spiel-Stelle zumindest teilweise divergieren würden.
In diesem Zusammenhang fällt mir auf, dass alle Hunde (4 an der Zahl, alle seit langem bekannt) mit denen sich Richy auch im Freilauf nicht versteht wohl B-Hunde sind, während er wohl ein klassischer A-Hund ist. Alle sind unkastrierte Rüden. Mit vielen anderen unkastrierten Rüden versteht er sich aber, auch wenn sie 'wilder' spielen. Aber gerade die ruhigeren eher abwartenden werden erst zur Kenntnis genommen, beschnüffelt und wenn Bewegung ins 'Spiel' kommt, aggressiv angegangen.
Also eher ein hundliches Kommunikationsproblem? Ausgelöst durch eine andersartige Chemie?
LG Iris mit Brummbär Richy und Springmaus Querida _______________________________________________
"Happiness is not a station you arrive at, but a manner of travelling." (M.L. Runbeck)
Edit:Sollte erst lesen statt ???? zu schreiben,....
Jetzt bin ich aber mehr als neugierig.Was bitte sind das?
In Antwort auf:Nachdem Anja und ich auch lernten, daß Kepri ein klassischer A-Typ von Hund und Ben definitiv ein B-Typ ist, würde mich auch nicht wundern, wenn sie auch an der Spiel-Stelle zumindest teilweise divergieren würden.
Bin schon gespannt auf ausführliche Berichterstattung,...
Zitat von stoppel Also eher ein hundliches Kommunikationsproblem? Ausgelöst durch eine andersartige Chemie?
Interessante Frage. Ich überlege gerade, wie das bei Ben ist. Er versteht sich in aller Regel mit unkastrierten Rüden dann nicht, wenn diese groß sind. Sind sie aber eher passiv und verharren, bis er sie begutachtet hat und seiner Wege ziehen kann, gibt es meist keine Probleme. Fangen sie an, ihn aktiv anzugehen, in welcher Form auch immer, scheint er etwas "klarstellen" zu müssen, er knurrt und attackiert dann, nicht beschädigend, aber laut, bis sie ruhig stehenbleiben und sich in Nasenschein nehmen lassen. Es könnte tatsächlich sein, daß er entsprechend bei A-Typen eher etwas aggressiver auftritt, während er B-Typen ruhig und gelassen begegnen kann.
Besonders folgerichtig erscheint mir diese Annahme, wenn ich mir sein Verhalten Hündinnen gegenüber anschaue. Was er ganz und gar nicht vertragen kann, sind große Damen, die sich an ihn ranwerfen. :-)
Ich habe im Januar nochmal ein Seminar beim Gansloßer, Biologie der Aggression, wenn ich daran denke, werde ich ihn in einer Pause mal fragen, ob es sein kann, das gleich-typige Hunde sich besser verstehen als anders-typige.
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In Antwort auf:Ich überlege gerade, wie das bei Ben ist. Er versteht sich in aller Regel mit unkastrierten Rüden dann nicht, wenn diese groß sind. Sind sie aber eher passiv und verharren, bis er sie begutachtet hat und seiner Wege ziehen kann, gibt es meist keine Probleme. Fangen sie an, ihn aktiv anzugehen, in welcher Form auch immer, scheint er etwas "klarstellen" zu müssen, er knurrt und attackiert dann, nicht beschädigend, aber laut, bis sie ruhig stehenbleiben und sich in Nasenschein nehmen lassen. Es könnte tatsächlich sein, daß er entsprechend bei A-Typen eher etwas aggressiver auftritt, während er B-Typen ruhig und gelassen begegnen kann.
Dann stellt sich mir die Frage, ob der OH auch ein B-Typ ist.
Zu Richy: Ich hatte bisher angenommen, er 'wählt' eher die etwas ruhigeren Typen, weil die sich besser für 'Überfälle' als Opfer eignen. Er läuft dann vielleicht weniger Gefahr selbst attackiert zu werden.
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