So, hier wie versprochen der zweite und ja eigentlich wichtigere Teil, die Frage danach, was ein alternatives Verhalten für einen Ressourcenverteidiger sein könnte und wie man es trainieren kann.
Was kann alternatives Verhalten sein?
Trainiert wird auf drei Ebenen.
Wie bereits gesagt, ist es wichtig, zu Beginn am Erregungsniveau des Hundes zu arbeiten, d.h. per gezielter Entspannungsübung soll der Hund lernen, generell und entsprechend auch, wenn er im Besitz seiner Ressource ist, ruhig und gelassen bleiben zu können. Parallel dazu erfolgt ein Annäherungstraining, das dann darin übergeht, dem Hund am Ende die Ressource auch abnehmen zu können. Hierbei hilft ein alternatives Verhalten zur Verteidigung, am einfachsten zu trainieren und am effektivsten ist hier eine klassische Sitz/oder Platz und Bleib-Übung. Der Hund lernt, statt zu knurren oder zu drohen auf Signal ins Sitz zu gehen und dort zu bleiben, während der Mensch die Ressource sozusagen verwaltet, sie ihm entweder wiedergibt oder sie gegen eine andere Ressource eintauscht.
Ein konkreter Ablauf könnte sein: a) Der Hund lernt, nicht mehr so erregt zu sein, wenn er die Ressource hat. b) Der Hund lernt, auf ein Signal auf eine Decke zu gehen. c) Der Hund lernt, daß der Mensch sich ihm nähern darf, ohne daß dem Hund dabei "etwas passiert". Bleibt er ruhig, wird er belohnt, knurrt er, geht der Mensch ohne Belohnung zu geben, weg und nähert sich neu an, bleibt aber etwas weiter zurück, eben soweit, daß er die hundliche "Knurr-Distanz" nicht unterschreitet. Klappt das zuverlässig, nähert er sich beständig weiter an, immer belohnend, wenn der Hund keine Anzeichen einer Ressourcenverteidigung zeigt (merke: erstes Anzeichen ist bereits ein schnelleres Fressen, wenn es um Futter als Ressource geht oder ein Abducken über ein Spielzeug). d) Der Hund lernt, seine Ressource abzulegen, während er gefüttert wird (oder normal zu fressen, wenn der Mensch neben ihm steht, wenn die Ressource Futter ist). e) Der Hund lernt, seine Ressource gegen eine andere einzutauschen. Alternatives Verhalten wäre hier: Das Abliegen des Hundes auf der Decke, während der Mensch die Ressource händeln darf, das Berühren eines Targetsticks/Targets, während er die Ressource hat bzw. ablegt.
Wofür braucht man alternatives Verhalten, warum darf der Hund seine Ressource nicht einfach behalten?
Ressourcenverteidigung beinhaltet oft offensiv aggressives Verhalten des Hundes, insbesondere, wenn erste Warnzeichen übergangen werden. Der Hund stellt, wenn er nicht gelernt hat, eine Ressource abzugeben, folgerichtig möglicherweise eine Gefahr für Artgenossen oder Menschen, insbesondere Kinder, die sich "nichts Böses dabei denken", wenn sie dem Hund z.B. einen Ball abnehmen wollen, um mit ihm zu spielen, dar. Daher ist es wichtig, daß der Bezugsmensch des Hundes die Ressourcen kontrollieren und verwalten kann. Explizit: Die Frage nach Ressourcenkontrolle hat nichts mit irgendeinem Rangordnungsprinzip zu tun, auch nicht damit, daß der Mensch der Chef sein müßte. Es geht hier einzig darum, ein harmonisches Miteinander von Mensch und Hund und von Hund und Hund gewährleisten zu können.
Wie trainiert man?
Zu berücksichtigen sind nicht wenige Faktoren. Zentral ist aber, Geduld zu haben und extrem langsame Annäherungen an das Endziel, dem Hund die Ressource gefahrlos abnehmen zu können, zu trainieren.
a) Ein Training sollte zunächst als "Trockenübung" beginnen, d.h. es wird erst das basierende Sitz oder Platz und Bleib geübt, dies unter stetig steigender Ablenkung. Erst dann wird eine für den Hund nicht extrem wichtige Ressource benutzt, in der Folge wird mit möglichst allen bekannten Ressourcen, die der Hund verteidigen könnte, geübt, die Wichtigkeit der Ressource für den Hund sollte ansteigen. Nie mit der Ressource beginnen, die dem Hund am wichtigsten ist. b) Das Training sollte zu Beginn in einem überschaubaren Umfeld stattfinden, d.h. erst einmal zu Hause, dann im Garten, dann unter wenig Ablenkung draußen und erst, wenn das alles zuverlässig klappt unter steigender Ablenkung draußen. Den "Ernstfall" mit anderen Hunden oder Menschen sollte man erst üben, wenn man wirklich sicher ist, daß der Hund auf das Signal für ein alternatives Verhalten auch wirklich reagiert. c) Nie sofort das Wegnehmen der Ressource üben, immer erst ein langsames Annäherungstraining machen, das die Distanzen zwischen Mensch und Ressource vorsichtig und schrittweise verkürzt. d) Immer im Bereich der ersten sichtbaren Reaktionen arbeiten. D.h. einerseits, nicht zu warten, bis der Hund knurrt, bevor man das Training einsetzt, andererseits, unbedingt SOFORT zu belohnen, sobald der Hund auch nur erste Anzeichen alternativen Verhaltens zeigt, d.h. nicht erst warten, bis er sitzt oder liegt, sondern auch belohnen, wenn er sich nicht abduckt oder nicht knurrt. e) Wichtig ist es natürlich auch, NUR positiv zu arbeiten. Keine harten Worte benutzen, keine Strafen, keine negativen Maßnahmen, auch kein "Nein" oder "Pfui" einbauen, sondern NUR loben und bestätigen, wenn das Verhalten des Hundes in die richtige Richtung geht. Erwünschte Reaktionen können bereits sein: den Kopf hochzunehmen, den Menschen nicht fixierend anzuschauen, sitzen, den Gegenstand zum Menschen zu bringen, von der Örtlichkeit/Ressource wegzugehen und sie liegenzulassen. f) Bevor ein "Ernstfall" geübt wird, einige "Aufwärmübungen" machen, z.B. einige "trockene" Klicker-Übungen, ein bißchen Grundgehorsam o.ä.. g) Training unterbrechen und Entspannungsübungen machen, wenn der Hund Zeichen starken Stresses zeigt, wobei der Hund im Endziel natürlich lernen soll, unter jedem Streß alternatives Verhalten zeigen und die Ressource dem Menschen überlassen zu können. h) Darauf achten, daß der Hund nicht in eine Trainingsroutine kommt, in der er dann die Ressource zwar nicht mehr verteidigt, außerhalb derer er es aber weiter tut. Äußere Anzeichen für ein Training (Frauchen hängt die Leckerchentasche um, die Leine wird gegriffen, die Decke für das Deckentraining eingepackt) müssen unwichtig werden, sie dürfen nicht mit dem Training verknüpft werden. Daher variieren: Eine andere Leckerchentasche nehmen oder die Belohnungen in eine Tüte tun, den Ball in eine andere Tasche packen usw.. i) Keine Körpersignale festigen, die der Hund verknüpfen könnte. Die Übungen also z.B. nicht immer gleich aufbauen, der Hund kann beispielsweise mal vor dem Menschen, mal neben ihm sitzen, die Decke, auf die der Hund gehen soll, liegt mal näher, mal weiter, immer an einem anderen Ort, der Mensch steht nicht immer mit den Händen auf dem Rücken, er hockt auch mal oder läßt die Arme baumeln usw..
Zentrale Notwendigkeiten für einen Erfolg sind: Mitarbeit, Fleiß und Geduld der Bezugsperson des Hundes, sind diese Voraussetzungen nicht da, ist die Prognose für einen Trainingserfolg gleich null.
Zu einigen kleinen Besonderheiten ein Teil 3. :-)
Viele Grüße Barbara mit Ritter Parcifal, Prince Maddox und Sir Lancelot sowie in ewiger Verbundenheit mit Malibub Athos, Seelenbub Ben, Spitzbub Ilias, Lausbub Seppl und 'dame de coeur' Lupa (G'lupa de la Noire Alliance)
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"Just a generation ago if you went near a dog when he was eating and the dog growled, somebody would say, 'Don't go near the dog when he's eating!, what are you crazy?' Now the dog gets euthanized. Back then, dogs were allowed to say, NO. Dogs are not allowed to say no anymore...They can't get freaked out, they can't be afraid, they can never signal 'I'd rather not.' We don't have any kind of nuance with regard to dogs expressing that they are uncomfortable, afraid, angry, or in pain, worried, or upset. If the dog is anything other than completely sunny and goofy every second, he goes from a nice dog to an 'AGGRESSIVE' dog." (Jean Donaldson)
Erst mal - danke für die Ausführungen - sehr interessant.
Zwei Fragen drängen sich mir gerade auf.
Fällt das hundliche Verhalten, dass von Menschen gern als Eifersucht bezeichnet wird, auch unter Resourcenverteidigung? Also ich mein den Fall: "Fremdhund" wird von mir bespasst, liebkost, ect. - eigener Hund zeigt aggressives Verhalten (knurrt ect.). Ist bei uns eigentlich kein Thema - Yashi drängelt sich in solchen Fällen meist dazu, und will dann auch beschmust werden. Aber es würde mich interessieren, was ihr dazu meint.
Und zweite Frage: Schön und gut - wenn ich mal mit dem Training so weit bin, habe ich erreicht, dass der Hund weiß, ich regle die Resourcenverwaltung für ihn und er gerät nicht mehr in Stress oder verbleibt zumindest in der Alternative, die ich ihm erlerne (sehr vereinfacht geschrieben). Aber - was passiert, wenn ich mal nicht dabei bin oder einfach etwas weiter entfernt gerade bei Ballspielen oder so) und jemand Fremder "will an die Resource" (will dem Hund den Ball werfen). Ich mein damit - wie gelingt der Schritt von: Funktioniert in meinem unmittelbaren Beisein zu funktioniert, weil der Hund gelernt hat, dass er seine Resource nicht zu verteidigen braucht, weil sie ihm niemand streitig macht.
Zu Frage 1: Sagte ich schon zu Sanne, ich halte das, was wir als Eifersucht bezeichnen, in den meisten Fällen für eine Form der Ressourcenverteidigung. Es kann allerdings auch eine Frustaggression auftauchen, heißt: Hund ist gefrustet, weil er situativ "abgemeldet ist" und der andere Hund "angemeldet".
Zu Frage 2: Wenn Du weißt, daß Dein Hund Ressourcen verteidigt, darf es zu einer solchen Situation nicht kommen. Da hast Du die Verantwortung, stets präsent zu sein und zu verhindern, daß jemand Unbefugter Deinem Hund eine Ressource abnehmen will.
Ich fürchte, hier gilt, was Ute immer sagt: Einfach ist nicht gleich bequem. Heißt: Die Lösung ist einfach, Du darfst Deinen Hund nicht allein lassen in solchen Situationen, bequem wäre, wenn Du einfach weiter mit dem Ball spielen dürftest und Dein Hund sich selbst trainierte. ;-))))
Viele Grüße Barbara mit Ritter Parcifal, Prince Maddox und Sir Lancelot sowie in ewiger Verbundenheit mit Malibub Athos, Seelenbub Ben, Spitzbub Ilias, Lausbub Seppl und 'dame de coeur' Lupa (G'lupa de la Noire Alliance)
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"Just a generation ago if you went near a dog when he was eating and the dog growled, somebody would say, 'Don't go near the dog when he's eating!, what are you crazy?' Now the dog gets euthanized. Back then, dogs were allowed to say, NO. Dogs are not allowed to say no anymore...They can't get freaked out, they can't be afraid, they can never signal 'I'd rather not.' We don't have any kind of nuance with regard to dogs expressing that they are uncomfortable, afraid, angry, or in pain, worried, or upset. If the dog is anything other than completely sunny and goofy every second, he goes from a nice dog to an 'AGGRESSIVE' dog." (Jean Donaldson)
Na, die erste Frage hat sich ja eigentlich auch schon in deinem dritten Teil beantwortet - das zeigt mal wieder dass ich vorher alles zu dem Thema lesen sollte und dann erst schreiben
Dass der Weg lang ist, und dass viel Einsatz und Konsequenz gefordert ist war mir klar. Aber meine zweite Frage war dahingehend gedacht, dass ich laut überlegte, wie kommt der Mensch dazu, dass er nachdem er diesen Status den Du beschreiben hast erreicht hat, das Empfinden des Hundes und damit sein Verhalten auch noch weiter entwickelt- eben dahingehend, dass der Hund lernt "Ich muss die Ressource gar nicht verteidigen". Nicht weil ich (der Mensch) da bin, der das regelt, sondern, dass er keine Bedrohung mehr der Resource durch einen anderen sieht. Es wäre ja wünschenswert, dass er das Verhalten auch ablegt wenn er zum Bsp. einen Ball geworfen bekommt, den er verliert und jemand anders hebt ihn weit weg von mir auf um ihn nochmal zu werfen.
Oder ist es vielmehr so - dass ein Hund, der so ein Verhalten zeigt, kaum solch einen Punkt erreichen kann, in dem er die Resourcenverteidigung völlig ablegt, auch wenn ich mal (dummerweise) gerade nicht greifbar bin? Was meins Du/ was meint ihr?
Gute Güte, der zweite Absatz hat ja elektra'sche Schachtelqualität. :-)
Aber ich verstehe, was Du meinst und würde meinen, daß das Ziel natürlich darin besteht, ein wirklich alternatives und verinnerlichtes Verhalten zu bekommen, das die Ressourcenverteidigung auch dann ersetzt, wenn ich das Signal zum alternativen Verhalten nicht geben kann/will.
Ich halte dieses Ziel tatsächlich für erreichbar. Ich habe bei Ben erlebt, wie er langsam aber sicher für zahlreiche Situationen, in denen sein Unterbewußtsein vorher das Etikett "Gefahr, folglich Aggression nötig" vergab, eine Umetikettierung hinbekommen hat. Sprich: Er greift heute Artgenossen nicht mehr ohne Vorwarnung an, auch wenn ich kein Signal gebe, er hat gelernt, daß nicht alle Vierbeiner per se eine Gefahr darstellen. Noch stärker ist sein Verhalten Menschen gegenüber komplett anders geworden. Er schnappt nicht mehr, sondern meidet, wenn es irgendwie geht, ich gebe da weder ein Signal, noch führe ich ihn besonders. Einzig passe ich auf, daß ich ihn abrufe, wenn ich das Gefühl habe, er fühlt sich bedrängt bzw. ist irgendwie unsicher/hilflos. Es fällt mir immer öfter auf, daß er von sich aus den Kontakt zu Menschen sucht, sich gerne füttern und immer öfter auch kurz streicheln läßt. Hat er genug, geht er, und das war es dann auch.
Allerdings schränke ich ein: Ein ressourcenverteidigender Hund kann ein wirklich alternatives Verhalten, das er unabhängig vom Menschen zeigt, nur dann erlernen, wenn auf Dauer gezielt trainiert wird, von Anfang an in langsamen Schritten, unter Einbeziehung der Senkung des Grunderregungsniveaus und ausschließlich positiv, mit massenweise Geduld.
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