ich stimme dir zu, dass wir an dem jetztigen Verhalten unserer Hunde arbeiten müssen und nicht ändern können, was geschehen ist. Allerdings kann es ja durchaus auch helfen, wenn man von einer schlechten Erfahrung weiß, um zu wissen, WIESO der Hund so reagiert, um ein entsprechendes Gegentraining aufzubauen. Wenn in diesem Beispiel der Hund in einer Familie gelebt hätte, wo das Vorneüberbeugen für ihn immer mit etwas Schmerzhaftem verbunden war - entweder wurde er misshandelt, oder seine Bezugsperson - würde das seine Motivation für das Verhalten erklären.
Lieben Gruß, Sennsitive
------------------------------------------ Willst du Meinungen über Tiere, frag die Menschen. Willst du Fakten, frag das Tier. - J. Allen Boone
Sorry, aber dem widerspreche ich. Der Hund zeigt das Verhalten, in diesem Fall, daß er schnappt, wenn Mensch nach etwas greift und nicht sein Bezugsmensch ist. Warum er das tut, ist völlig egal, er tut es, und ich muß es managen und per Training unterbinden. Ob er das, was er macht, nun macht, weil er schlechte Erfahrungen gemacht hat, mißhandelt wurde oder "nur" eine Ressource haben will, spielt bei der Wahl meiner Management-Maßnahmen so wenig eine Rolle wie für das Training, das ich immer positiv motivierend gestalten werde, das immer an der Senkung des Erregungsniveaus, am Aufbau einer guten Impulskontrolle und daran, dem Hund ein wirksames alternatives Verhalten zu vermitteln, ansetzen wird.
Das ist das schöne an dieser Art des Trainings: Ich muß nichts wissen, um dem Hund zu helfen, außer dem, was ich oben geschildert habe, nämlich, wie ich ein Erregungsniveau senken, eine Impulskontrolle aufbauen und ein alternatives Verhalten beibringen kann. Hierbei orientiere ich mich an den Gesetzen der Lerntheorie, die für alle Säugetiere und immer gelten, das alternative Verhalten wähle ich unter der Prämisse, daß es dem entgegenstehen sollte, was der Hund unerwünscht tut. Das heißt zum Beispiel, daß ich einem Hund, der nach vorne geht und beschädigt (wenn auch, in diesem Fall, nur leicht), ein Verhalten antrainiere, das ihn nach hinten und in eine Ruhestellung bringt, z.B. also ein gezieltes "Platz" weg vom Menschen, den er sonst schnappen wollen würde.
Eine Antwort auf die Frage nach dem "wieso" brauche ich also für ein effektives Training NICHT.
Viele Grüße Barbara mit Ritter Parcifal, Prince Maddox und Sir Lancelot sowie in ewiger Verbundenheit mit Malibub Athos, Seelenbub Ben, Spitzbub Ilias, Lausbub Seppl und 'dame de coeur' Lupa (G'lupa de la Noire Alliance)
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"Just a generation ago if you went near a dog when he was eating and the dog growled, somebody would say, 'Don't go near the dog when he's eating!, what are you crazy?' Now the dog gets euthanized. Back then, dogs were allowed to say, NO. Dogs are not allowed to say no anymore...They can't get freaked out, they can't be afraid, they can never signal 'I'd rather not.' We don't have any kind of nuance with regard to dogs expressing that they are uncomfortable, afraid, angry, or in pain, worried, or upset. If the dog is anything other than completely sunny and goofy every second, he goes from a nice dog to an 'AGGRESSIVE' dog." (Jean Donaldson)
Ich denke zwar auch, dass man nicht zwangsläufig wissen muss, WARUM der Hund reagiert, wie er reagiert, um ein sinnvolles Training aufbauen zu können.
Trotzdem verstehe ich den Wunsch danach, zu wissen, was die Vorgeschichte ist, warum der Hund in bestimmten Situationen bestimmte Reaktionen zeigt. Klar ist es einerseits müßig, darüber zu rätseln, wenn die Chancen recht gering sind, Näheres über die Vergangenheit des Wuffs zu erfahren... aber das Bedürfnis ist trotzdem nachvollziehbar. Ich denke, es würde in erster Linie dem Menschen, nicht mal unbedingt dem Hund, helfen, wenn man wüsste, woher das Verhalten kommt. Einfach, weil man dadurch ein ganz anderes Verständnis für das Verhalten hätte und der Impuls, sich über ein für uns rätselhaftes Verhalten erstmal zu ärgern, wegfiele. Damit meine ich jetzt nicht Anne, sondern ist ganz allgemein gesagt.
Aus menschlicher Perspektive: Ja, gebe ich Dir recht. Aus Trainerperspektive: Bleibe ich dabei, Wissen über "Vorschädigungen" ist unnötig, und es unbedingt abfragen zu wollen, schafft mehr Probleme als es löst.
So würde ich es zusammenfassen und ergänzen, warum es mir so wichtig ist, zu betonen, daß ich nichts über die Vorgeschichte wissen muß. Ich betone es, weil es Menschen einfach Mut macht, alternatives Verhalten zu erarbeiten, wenn sie wissen, daß sie vom Tag X ihres Trainings an rechnen dürfen und jeder Hund in jeder Lebensphase und mit allen Vorerfahrungen noch lernen und glücklich werden kann.
Viele, die Tierheimhunde oder Hunde aus dem Ausland übernehmen, KÖNNEN nichts über die guten oder schlechten Erfahrungen der Vierbeiner wissen. Wenn ich als Trainer dann sagen kann, "das mußt Du auch nicht", beinhaltet das auch die Information "Dein Hund ist trotzdem ausbildbar und kann alles lernen, was Ihr zusammen für ein entspanntes Leben braucht". Es nimmt, das erfahre ich in meiner praktischen Arbeit, ungeheuren Druck von den Bezugsmenschen eines Hundes, der unerwünschtes bzw. in dieser Gesellschaft problematisches Verhalten zeigt, ihnen sagen zu können, daß sie nicht spekulieren müssen und ein Verhalten, mit dem sie nicht klarkommen, keineswegs manifestiert ist, weil der Hund die eine oder andere Erfahrung gemacht hat.
Vielleicht wehre ich mich etwas heftig gegen diese immergleiche Frage "was weißt Du denn über die Vorgeschichte", das mag sein. Es ist mir aber einfach wichtig, Mensch und Hund möglichst viele offene Türen aufzeigen zu können, ich möchte keine unnötig dichtmachen, weil Menschen glauben, sie können ihrem Hund nur helfen, wenn sie ganz viel über ihn zu berichten wissen.
Fakt ist: Der Hund erzählt mir immer am meisten. Ich sehe an seinem Verhalten, worauf er wie reagiert, und anhanddessen werde ich mein Vorgehen im Training planen, ebenso, wie an den Entwicklungen von Mensch und Hund bzw. zwischen Mensch und Hund, die ich im Laufe der Zeit beobachten werde. Genau genommen macht das die Sache schlicht und ergreifend viel, viel einfacher. :-)
Noch in Ergänzung, ein mögliches Herangehen an Annes Problem, über das reine Unterbinden solcher Situationen hinaus.
@AnneCN
Was Du, neben dem Umstand, Besuch nichts mehr anfassen zu lassen, auch üben kannst, wäre, Besuch gezielt etwas anfassen zu lassen, wenn Du Foxy angeleint und im Signal hast. Du sollst also nicht testen, wann sie wie reagieren wird und so den Streß provozieren, sondern eine Situation so meistern, als ob der Hund normalerweise in ihr schnappen würde, dies jedoch durch gezielte Aktion Deinerseits gar nicht erst zuzulassen, sondern den Ablauf zu kontrollieren und über gezieltes Training zu ritualisieren.
Der Ablauf wäre dann in etwa so:
Du und der Besuch, Ihr sitzt auf dem Sofa. Foxy ist an der Leine neben Dir, so daß Du zwischen dem Besuch und dem Hund bist. Du gibst Foxy ein Signal "sitz" oder besser noch "platz". Hund sitzt oder liegt. Dann sagst Du zum liegenden oder sitzenden Hund: "Person X wird jetzt Sache Y nehmen. Das ist okay." Darauf nimmt die Person, deren Namen Du in den vorigen Satz natürlich statt "Person X" eingebaut hast, die Sache Y, deren Bezeichnung Du ebenfalls statt "Sache Y" genannt hast, den Gegenstand, von dem die Rede ist. Dann gibst Du dem Besucher das Signal "ok". Bleibt Foxy, während der Besucher nun den Gegenstand nimmt, sitzen oder liegen, clickerst Du und gibst dem Hund die bezeichnete Sache zum Schnüffeln, parallel bzw. sofort danach gibst Du ein Leckerchen und legst den Gegenstand wieder dorthin, wo er vorher gelegen hat.
Wichtig dabei ist: 1) Die Leine darf nicht straff sein, sondern muß durchhängen. Der Abstand zwischen Hund und Besucher muß so groß sein, daß der Hund den Besucher nicht schnappen kann, auch wenn er plötzlich aufspränge. 2) Du darfst Dich möglichst nicht anspannen, wenn Du dem Besucher das "Ok" gibst und er den Gegenstand aufnimmt. Wähle daher den Sicherheitsabstand, mit dem Du ein ruhiges Gefühl hast und bleibe beim Hund, d.h. beobachte den Besucher nur aus den Augenwinkeln, während Du in aller Ruhe Deinen Hund weich anschaust und lächelst. 3) Clickere anfangs bereits, wenn der Besucher sich Richtung Gegenstand bewegt und laß Dir diesen sofort geben, um ihn sehr schnell zum Schnüffeln an Foxy weiterreichen zu können. 4) Wenn die Übung EINMAL geklappt hat, wiederhole sie NICHT. Laß es damit bewenden, laß den Besucher den Gegenstand nicht wieder anfassen, sondern nimm Du ihn einfach kommentarlos irgendwann zu Dir oder laßt ihn schlicht liegen, wenn Ihr sicher genug seid, daß niemand ihn versehentlich aufnehmen will. 5) Du hast drei Variablen, die Du verändern kannst bzw. im Laufe der Zeit solltest. a) Die Dauer, die der Besucher den Gegenstand hält und während der Foxy ruhig sitzen oder liegen bleiben soll. Steigere sie bitte nur sehr langsam, eine Sekunde mehr pro Versuch kann durchaus ausreichen. b) Verringere ganz langsam den Abstand zwischen Hund und Besucher, bleibe aber immer als Pufferzone dazwischen. c) Die Anzahl der Übungen kann mit zunehmender Sicherheit des Hundes steigen, anfangs solltest Du es bei einer gelungenen Übung bewenden lassen, wird Foxy mit Dir zusammen sicherer, kannst Du auch mal zwei, drei oder vier Wiederholungen machen, bitte aber nie mehr als ca. zwei bis drei Minuten am Stück trainieren und nicht öfter als dreimal am Tag.
Ich hoffe, so kommt Ihr weiter, ich werde den Ideen-Teil auch noch in den Thread setzen, man weiß ja nie, wer vielleicht ein ähnliches Problem haben könnte.
Viele Grüße Barbara mit Ritter Parcifal, Prince Maddox und Sir Lancelot sowie in ewiger Verbundenheit mit Malibub Athos, Seelenbub Ben, Spitzbub Ilias, Lausbub Seppl und 'dame de coeur' Lupa (G'lupa de la Noire Alliance)
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"Just a generation ago if you went near a dog when he was eating and the dog growled, somebody would say, 'Don't go near the dog when he's eating!, what are you crazy?' Now the dog gets euthanized. Back then, dogs were allowed to say, NO. Dogs are not allowed to say no anymore...They can't get freaked out, they can't be afraid, they can never signal 'I'd rather not.' We don't have any kind of nuance with regard to dogs expressing that they are uncomfortable, afraid, angry, or in pain, worried, or upset. If the dog is anything other than completely sunny and goofy every second, he goes from a nice dog to an 'AGGRESSIVE' dog." (Jean Donaldson)